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Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Titel: Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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und fiel auf den Boden, wo er von den Stiefeln der flüchtenden Soldaten zu Brei gestampft wurde, die in die Folterkammer stürmten, den Schlüsselhasen packten, der gerade wieder zu sich gekommen war; sie trugen ihn die Treppen hinauf wie einen kleinen Fisch auf dem Kamm einer Woge. »Lauft um euer Leben!« schrien sie. »Es ist die Pest der Zehntausend Ansteckenden Fäulnisse!« Getrampel und Geschrei wurden leiser, und Hahnrei Ho suchte in der plattgewalzten Gestalt des Henkers nach den Schlüsseln. Er sah uns besorgt an, während er seine Fußkette aufschloß und dann daranging, uns zu befreien.
    »Glaubt Ihr, das mit dem Schaum vor dem Mund war zuviel?« fragte er kleinlaut.
    »Es war genau richtig«, sagte ich. »Glaubt Ihr das wirklich? Ich fürchte, den Speichel und den Schaum am Schluß könnte man für geschmacklos halten.«
    »Wenn Ihr das Ganze noch einmal wiederholt, dürft Ihr nicht das geringste am Speichel oder am Schaum ändern«, erklärte Meister Li energisch.
    Die letzte Kette fiel klirrend ab, und es war ein herrliches Gefühl, aufzustehen und die Glieder zu strecken. Wir marschierten in die Folterkammer und versorgten uns mit Waffen. Li Kao steckte so viele Dolche wie möglich in seinen Gürtel, und ich nahm ein Schwert und eine Lanze. Hahnrei Ho liebäugelte mit einem riesigen Beil, das zu Enthauptungen benutzt wurde, aber da es ihm nicht einmal gelang, es hochzuheben, sah er sich gezwungen, sich mit einer kleinen Doppelaxt zu begnügen. Li Kao machte sich in aller Ruhe an den Aufstieg.
    »Es besteht kein Grund zur Eile«, erklärte er. »Die Soldaten aus der Folterkammer haben die Soldaten auf den einzelnen Stockwerken mitgerissen, und wenn sie in den Palast stürmen, werden sie bereits ein großer schreiender Haufen sein. Jeder, der nicht zertrampelt worden ist, wird in den Hof hinausstürmen, wo sie ein paar Divisionen aus dem Heer der Ahne mit ihrer Panik anstecken, und wenn sie die Mauern stürmen, wird vermutlich kein Stein auf dem anderen bleiben. Sie werden das Heer des Herzogs Ch'in mitreißen, hysterisch schreiend durch die Stadt jagen und nur noch Ruinen zurücklassen. Die Bewohner, die das überleben, werden ihnen auf dem Fuß folgen. Es ist durchaus möglich, daß wir bis Hangchow laufen müssen, ehe wir einer Menschenseele begegnen.« Bei seinen Überlegungen hatte er einen Irrtum begangen. Wir stiegen die Treppe nach oben und sahen nichts außer ein paar zertrampelten Leichen, aber als wir den Thronsaal erreichten, liefen wir geradewegs einem Wesen in die Arme, das nicht einmal mit der Wimper gezuckt hätte, wenn sich das Wasser im Chinesischen Meer in Sojasauce verwandelt hätte. Eine gedunsene Gestalt mit einer Krone auf dem Kopf wies mit einem Wurstfinger auf uns.
    »So etwas wie die Pest der Zehntausend Ansteckenden Fäulnisse gibt es nicht«, fauchte die Ahne. »Soldaten, haut diese Hunde in Stücke!«
    Ihre Leibwächter umringten uns, und ohne Hahnrei Ho wären wir auf der Stelle umgebracht worden. Er stieß ein durchdringendes Freudengeheul aus und stürmte auf den Thron zu. Dabei wirbelte er die Axt so schnell über dem Kopf, daß nur noch der Rauch und die Flammen fehlten, um ihn für die Bambuslibelle zu halten. »Hack-hack!« jubelte er überglücklich. »Hack-hack-hack-hack-hack!«
    Natürlich rannte er geradewegs in die Lanzen der Soldaten. Wir hielten ihn für tot, aber in der Verwirrung gelang es, einen Weg zu bahnen. Li Kao wirbelte vier Dolche durch die Luft, und vier Soldaten stürzten zu Boden. »Schnell, Meister Li, hüpft auf meinen Rücken!« schrie ich. Er tat es, ich stürmte auf den Thron zu, mein Speer fand sein Ziel, ich sprang geradewegs über den Kopf der Ahne hinweg und nahm Reißaus.
    Bei dem Spiel mußten wir verlieren. Die Soldaten kannten den Palast, wir nicht, und früher oder später mußten wir in einer Sackgasse landen. Ich raste eine Treppe hinauf, während Li Kao die Vasen von ihren Sockeln riß und sie auf die Köpfe unserer Verfolger warf, aber es gab einfach zu viele Soldaten. Ich rannte durch einen langen Gang und zerrte an einer massiven doppelflügeligen Bronzetür, aber sie war verschlossen. Ich drehte mich um, spurtete zurück und kam schliddernd zum Stehen, als der Gang sich mit Soldaten füllte. Zwei Reihen Männer marschierten uns an den Wänden entgegen; der Hauptmann der Wache führte einen Trupp in der Mitte an. Wir starrten auf eine massive Front blitzender Lanzen, und ich befahl meine bescheidene Seele dem

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