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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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spöttisch. »Konntet Ihr Euch nicht denken, daß
ich etwas von dem Stein und den Aufzeichnungen und Diagrammen meines Ahnen gelernt
habe? Ich prahle nicht gern, aber vermutlich weiß ich mehr über die Kräfte des
Universums als jeder andere Mensch .« Er deutete auf
seine Sandalen, die auf Luft standen. »Das zum Beispiel ist ein Kraftfeld, das
stark genug wäre,
    zehn Elefanten zu tragen,
wenn die Elefanten lernen könnten, es zu sehen und sich darauf einzustellen.
Mir ist das gelungen, und ich hoffe aufrichtig, Ihr seid ebenfalls dazu in der
Lage .«
    »Einer von uns ist es«,
sagte Meister Li ruhig. »Nummer Zehn der Ochse ?« fragte der Prinz. »Ich gebe zu, kein Mensch kann ohne die richtige Ausrüstung
die eine Wand der Schlucht hinunter und die andere wieder hinaufklettern. Als
Ochse Euch von einer Seite zur anderen trug, ging er auf einem Kraftfeld, wie
ich es jetzt tue .« Meister Li hüpfte auf meinen
Rücken, und der Prinz lächelte breit.
    »Deshalb hat Euer
Bewußtsein ihn Euch im Spiegel als jemanden gezeigt, der zum ersten Mal als
Mensch geboren wurde, denn durch die Luft gehen kann nur die reine Unschuld.
Aber ist Euch klar, daß Ochse sich damals der Gefahr nicht bewußt war? Der
Nebel hatte euch die Sicht genommen. Jetzt ist es anders, und Unschuld kann
nicht viel Wissen vertragen .«
    Seine Lippen berührten den
Rand des Steins, den er in den Händen hielt. Der Ton aus der Schale klang so
rein und stark, daß ich nicht lockende Klänge hörte, sondern die Worte aus der
Seele eines Steins:
    »Komm ... zu . . .
miiiiiiiüiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiüiir! Komm ... zu ... miiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiir !«
    Mondkind und ich wurden zum
Rand des Abgrunds gezogen. Ich sah kein Kraftfeld. Ich sah in zweihundert Fuß
Tiefe nur Felsen wie die Zähne im Maul eines Hais, und das Entsetzen schüttelte
mich wie eine Stoffpuppe. Mir blieb keine Wahl. Ich mußte dem Ruf gehorchen
oder sterben, und mein Fuß hob sich ins Nichts.
    Mondkind schwankte am Rand.
Sein Kehlkopf vibrierte schneller, als es einem Kehlkopf eigentlich möglich
war. Der Schweiß rann ihm in Strömen über das Gesicht, und dann geschah etwas
Außergewöhnliches. Er brachte den Ton des Steins hervor, überlagerte ihn jedoch
gleichzeitig mit einem anderen Ton. Es war Wind, Sonne, Regen, Schnee und eine
gemütliche warme Kate - es war das Lied, das Klagende Morgendämmerung für die
alte Tai-tai gesungen hatte. Aber jetzt sang sie es für mich. Klagende
Morgendämmerung rief mich, und ich konnte mir nicht vorstellen, daß ich das
Kraftfeld vorher nicht gesehen hatte. Dort war es, keine sechs Fuß von der
Leere vor meiner Sandale entfernt. Ich drehte mich um und ging darauf zu.
Vertrauensvoll trat ich in die Luft, öffnete die Arme, um Klagende
Morgendämmerung zu umarmen, und nahm nur verschwommen das bleiche, entsetzte
Gesicht des Prinzen wahr, hörte das Klicken der Feder in Meister Lis Ärmel und
sah das Blitzen des Messers, als es herausschoß.
    Das Lied von Klagende
Morgendämmerung hatte sich gedreht. Jetzt erklang es hinter mir und rief mich
zurück. Wie ein Schlafwandler drehte auch ich mich um und ging auf dem Pfad aus
wirbelnder Kraft zurück, der so weich war wie ein Teppich. Meister Li saß leise
lachend auf meinem Rücken, und er lachte laut, als meine Sandalen wieder auf
Felsen und Gras gingen. Mondkind fiel keuchend auf die Erde und rieb sich den
Hals. Meister Li sprang von meinem Rücken. Die Töne waren verstummt. Ich kehrte
in die Wirklichkeit zurück, wirbelte herum und starrte auf Prinz Liu Pao, der
immer noch mitten über der Schlucht in der Luft stand. Er trug den Stein nicht
mehr um den Hals. Seine Liebenswürdigkeit und seine Wärme waren verschwunden,
und dort stand jetzt ein egoistischer, verschlagener kleiner Mann, der wie ein
verängstigter Affe aussah.
    »Aber Prinz, es besteht
kein Grund zur Angst. Habt Ihr wirklich geglaubt, ich würde Euch die alberne
Kehle durchschneiden ?« Meister Li löste den Stein von
der Schnur, die er vom Hals des Prinzen abgetrennt hatte. »Weshalb halten mich
die Leute für einen brutalen Meuchelmörder ?« fragte er
wehmütig. »Ich bin nicht brutal .«
    Die Fackel, die Mondkind
aus dem Labyrinth mitgenommen hatte, lag noch im Gras. Pech ist schwer zu
löschen, und sie brannte immer noch. Meister Li deutete auf die Fackel und dann
zum Schloß auf der anderen Seite der Schlucht. »Ochse, kannst du sie in dieses
Fenster werfen ?« In mir hatten sich viele Gefühle
gestaut, und ich ließ einigen

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