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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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von Nr. 302 Block B der Gartenstraße in Moskau.
    Das Zimmer schmal. An der Wand alte Bilderserien. Methoden zur Wiederbelebung von Ertrunkenen. Der Tisch hölzern. Dahinter ein Mann. Vollkommen einsam. Mittleres Alter. Unrasiert. Die Augen besorgt.
    – Dürfte ich den Vorsitzenden der Hausverwaltung sprechen? –, fragte höflich der Wirtschaftsplaner. Er zog seinen Hut und stellte das Köfferchen auf dem freien Stuhl ab.
    Diese schlichte Frage machte dem Sitzenden – an sich doch grundlos – schwer zu schaffen. Er war kaum noch er selbst, schielte erschrocken, brabbelte unverständliches Zeug. Etwas wie »Vorsitzenderabwesend …«.
    – Ist er vielleicht bei sich zu Hause? –, fragte Poplawski. – Es ist nämlich dringend.
    Der Mann antwortete wieder einmal in wirren Sätzen, aus denen einigermaßen klar wurde: Der Vorsitzende ist nicht bei sich zu Hause.
    – So? Und wann kommt er?
    Der Mann schwieg und blickte nur wehmütig Richtung Fenster.
    »Sieh an!«, dachte der kluge Poplawski und erkundigte sich nach dem Sekretär.
    Der komische Kerl am Schreibtisch wurde puterrot vor lauter Aufregung. Und presste hervor, wieder unverständlich, etwas wie »Sekretärauchabwesend … Keineahnungwannerkommt … Sekretärkrank …«.

    »Sieh an! Sieh an!«, überlegte Poplawski.
    – Aber irgendjemand ist doch in der Verwaltung?
    – Ich –, sagte der Mann mit schwacher Stimme.
    – Folgendes –, begann Poplawski mit Nachdruck, – ich bin der einzige Erbe des verstorbenen Berlioz, meines Neffen, der – wie Sie vermutlich wissen – am Patriarchenteich umgekommen ist. Laut Gesetz bin ich also dazu verpflichtet, sein Erbe anzutreten. Und dieses besteht vornehmlich aus unserer Wohnung Numero 50 …
    – Tut mir leid, habe keine Ahnung, Genosse … –, unterbrach ihn traurig der Mann.
    – Mit Verlaub –, entgegnete Poplawski mit voller Stimme, – als Mitglied der Hausverwaltung sind Sie ausdrücklich …
    In diesem Moment kam jemand herein. Beim Anblick des Eingetretenen ist der Sitzende bleich geworden.
    – Pjatnaschko? Mitglied der Hausverwaltung? –, fragte der Eingetretene den Sitzenden.
    – Das bin ich –, sagte jener kaum hörbar.
    Da flüsterte der Eingetretene dem Sitzenden etwas leise ins Ohr, worauf sich jener – nun völlig aufgelöst – vom Stuhl erhob. Schon einige Sekunden später blieb im Zimmer der Hausverwaltung nur Poplawski allein zurück.
    »Ganz schön dumm! Dass sie alle drei auf einmal …«, dachte Maximilian Andrejewitsch verärgert auf dem Weg über den asphaltierten Hof zur Wohnung Nr. 50.
    Sobald er klingelte, sprang die Tür auf, und der Wirtschaftsplaner trat in den zwielichten Flur. Seltsam, wer hat ihm aufgemacht? Niemand da – nur ein riesiger schwarzer Kater – dort auf dem Stuhl.
    Maximilian Andrejewitsch hüstelte und scharrte ein wenig mit den Füßen. Da öffnete sich die Tür zum Büro, und im Flur erschien Korowjew. Sich höflich (aber selbstbewusst!) verbeugend, konnte Maximilian Andrejewitsch eben noch sagen:
    – Mein Name ist Poplawski. Ich bin der Onkel des …

    Er konnte es nicht zu Ende sprechen: Korowjew zückte ein schmutziges Tuch, steckte seine Nase hinein und begann zu flennen.
    – … verstorbenen Berlioz …
    – Sicher, sicher … –, unterbrach ihn Korowjew und entfernte das Tuch vom Gesicht. – Ich hab’ S’ mir nur kurz anschaun brauchen, da hab’ ich gleich gewusst: Er ist’s, er ist’s! – Ein Heulkrampf erfasste ihn, und er schluchzte: – Was für ein Schlamassel! Oje! Ojegerle! Ja, wo führt das alles noch hin!
    – Von der Tram überfahren? –, hauchte Poplawski.
    – Und zwar glatt! –, rief Korowjew aus, und eine regelrechte Tränenflut schoss ihm unter dem Zwicker hervor. – Und zwar glatt! War nämlich selbst dabei. Glauben S’ mir: Eins! – u-u-und Kopf ab! Klack! – und das rechte Bein in der Mitten durch! Klack! – und das linke Bein in der Mitten durch! Das haben S’ jetzt von Ihren Trams! – Und Korowjew – nicht mehr zu bremsen – drückte seine Nase an die Wand, wo der Spiegel hing, und heulte, am ganzen Leibe geschüttelt.
    Die Reaktion dieses Unbekannten verblüffte Berlioz’ Onkel zutiefst. »Und da heißt es doch, es gäbe in unserer Zeit keine herzensgütigen Menschen!«, dachte er und fühlte die Augen jucken. Doch zugleich schob sich ein ungutes Wölkchen für einen Moment über sein Gemüt. Und schlangenhaft durchzuckte ihn der Gedanke: »Könnte es sein, dass dieser herzensgütige Mensch sich in der

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