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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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und Kossartschuk – beide berüchtigt für ihre Kriecherei – natürlich ganz rege (erzählte das Fräulein) und verkünden: Sie melden sich an. Da merken die anderen: Es istzwecklos, sie können sich vor dem Singen nicht drücken. Was bleibt ihnen übrig, als sich einzuschreiben? Man beschließt, in der Mittagspause zu singen, weil die ganze restliche Zeit mit Lermontow und Damespiel ausgefüllt ist. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, erklärt der Leiter, er sei ein Tenor. Was dann geschieht, ist der reinste Albtraum: Der karierte Experte für Chorgesang krakeelt:
    – Do-mi-sol-do! – Zieht die Schüchternen hinter den Schränken hervor, wo sie dem Singen zu entkommen gedenken. Attestiert Kossartschuk absolutes Gehör. Jault und quengelt, man soll doch zum ehemaligen Kirchenchorleiter a bisserl lieb sein. Schlägt sich die Stimmgabel an die Finger. Fleht, gemeinsam ein Lied zu probieren. »Herrlicher Baikal, du heiliges Meer«.
    Also legen sie los. Und auch gar nicht mal übel. In der Tat: Der Karierte versteht sein Handwerk. Die ganze erste Strophe gelingt. Da entschuldigt sich der Kirchenchorleiter: »Nur ein Minuterl!« – und … weg ist er. Zuerst denken sie, er kommt gleich zurück. Ach was! Nicht nur eine Minute, sondern zehn vergehen – und er bleibt fort. Da sind die Angestellten heilfroh: Er hat sich verdrückt!
    Und singen auf einmal – so mir nichts, dir nichts – die zweite Strophe. Kossartschuk, der zieht nämlich alle mit. Vielleicht hat er ja nicht wirklich das absolute Gehör, aber eine angenehme hohe Tenorstimme. Die Strophe ist durch. Aber vom Chorleiter fehlt immer noch jede Spur! Also gehen alle zurück an ihre Plätze. Setzen sich. Und plötzlich – ob sie wollen oder nicht – trällern sie los. Wollen aufhören – Pustekuchen! Bestenfalls drei Minuten, und wieder von vorn! Und wieder ein Päuschen, und wieder von vorn! Und jeder begreift: Es ist die Höchststrafe! Der Filialleiter verbarrikadiert sich aus lauter Verlegenheit in seinem Büro.
    Da brach die Erzählung des Fräuleins ab. Der Baldrian hatte nicht geholfen.

    Eine Viertelstunde später rollten an den Zaun der Wagankowski-Gasse drei Laster heran. Die gesamte Belegschaft der Filiale – samt deren Leiter – fand darin Platz.
    Sobald der erste mit leichtem Ruckeln losfuhr, öffneten die Angestellten, die oben im Laderaum standen und sich gegenseitig an die Schultern fassten, ihre Münder und erfreuten die Gasse mit dem allseits bekannten Lied. Der zweite Wagen stimmte mit ein, der dritte ebenso. Und auf ging es! Die geschäftigen Passanten warfen der Kolonne rasche Blicke zu, so gar nicht erstaunt: Ein Betriebsausflug in die Außenbezirke! – Man fuhr auch wirklich in die Außenbezirke, aber nicht zum Ausflug, sondern geradewegs in die Klinik von Professor Strawinski.
    Eine halbe Stunde später erreichte der Buchhalter, der schon gar nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand, die Theaterfinanzsektion, um dort endlich das ihm anvertraute Geld loszuwerden. Er war bereits ein gebranntes Kind, daher schaute er mit gewisser Vorsicht in den länglichen Saal hinein. Hinter den matten gläsernen Scheiben, die goldene Aufschriften trugen, saßen seelenruhige Beamte. Alles hier zeugte von Recht und Ordnung – eine anständige Behörde eben!
    Wassilij Stepanowitsch steckte seinen Kopf durch das Fenster mit dem Schild »Annahmestelle«, grüßte den Angestellten, welchen er nicht kannte, und bat ihn um eine Empfangsbestätigung.
    – Und wozu, wenn ich mal fragen darf? –, erkundigte sich jener.
    Da war der Buchhalter aber verdutzt.
    – Ich bringe die Einnahmen. Vom Varieté.
    – Einen Augenblick bitte –, sagte der Mann und bedeckte das Loch in der Glaswand sogleich mit einem feinen Gitter.
    »Das ist ja seltsam!«, dachte Lastotschkin. Und es war auch seltsam. Wann hatte er denn in seinem Leben so etwas gesehen? Jeder weiß, wie schwer es ist, an das beantragte Geld zu kommen. Da finden sich reichlich Hindernisse. Doch die dreißigjährige Berufserfahrung eines Buchhalters kennt keinen einzigen Fall, wo eine juristische oder private Person Schwierigkeiten gehabt hätte, Geld anzunehmen.
    Bald aber öffnete sich das Gitter, und Wassilij Stepanowitsch rückte ans Fenster.
    – Wie viel soll’s denn sein? –, fragte der Beamte.
    – Einundzwanzigtausendsiebenhundertelf Rubel.
    – Alle Achtung! –, sagte der Angestellte mit unangemessener Ironie und reichte dem Buchhalter einen grünen Vordruck.
    Mit Dienstpapieren bestens

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