Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
Herrlicher Baikal, du heiliges Meer …
    Der Hausbote, welcher gerade auf der Treppe erschien, zeigte jemandem seine geballte Faust und stimmte ein mit dumpfem Bariton:
    – Auf einer Lachstonne will ich dich zwingen …
    Dem Hausboten antworteten aus der Ferne noch weitere Sänger, der Chor wuchs an, und auf einmal brach der Gesang aus allen Winkeln der Filiale hervor. Vom Zimmer in der Nähe (Nr. 6) ließ sich dazu eine besonders prächtige Oktave mit etwas heiserem Brustton vernehmen. Und als Begleitung schwoll mehr und mehr an das endlose Scheppern der Telefone.
    – Scharfer Nordost treibt die Wellen daher …,
    brüllte der Hausbote auf der Treppe.
    Tränen flossen dem Fräulein die Wangen herab. Sie presste krampfhaft die Zähne zusammen. Doch ihr Mund öffnete sich von selbst und ergänzte das Lied in der Oberoktave:
    – Rettung – sie muss mir gelingen!
    Besonders staunten die fassungslosen Besucher über die folgende Tatsache: Obwohl der Chor auf die unterschiedlichsten Orte im Gebäude verstreut war, klang es doch äußerst homogen. Offenbar folgte jeder Beteiligte einem unsichtbaren Dirigenten.
    Die Passanten in der Wagankowski-Gasse blieben vor dem Hofeingang stehen und wunderten sich über die ausgelassene Stimmung im Inneren der Schauspielkommission.
    Sobald die erste Strophe zu Ende war, verstummten die Sänger, abermals auf Anweisung des verborgenen Taktstocks. Der Hausbote fluchte leise und ging.
    Da öffnete sich die Eingangstür und herein kam ein Herr im sommerlichen Mantel, unter dessen Schößen ein weißer Kittel herausschaute. Mit ihm zusammen ging ein Milizmann.
    – Tun Sie doch was, ich flehe Sie an! –, schrie das Fräulein, hysterisch werdend.
    Der Sekretär der Filiale stürzte auf die Treppe und stotterte aus lauter Verlegenheit und Scham:
    – Sehen Sie, Doktor, es scheint sich hierbei um eine Art Massenhypnose zu halten … Es ist ratsam … –, er stockte mitten im Satz, wurde von den Wörtern gewürgt und sang auf einmal im Heldentenor:
    – Schilka und Nertschinsk, nicht schreckt ihr mich mehr …
    – Idiot! –, rief das Fräulein eben noch aus (ohne zu erläutern, wer gemeint ist), vollführte dann ein paar gewaltsame Koloraturen und trällerte selbst von Schilka und Nertschinsk.
    – Jetzt reißen Sie sich doch am Riemen! Seien Sie still! –, forderte der Arzt den Sekretär auf.
    Dessen Gesicht sagte ohnehin: Ich wünsche mir nichts so sehr wie das! Aber von Stillsein war keine Rede. Und so ließ er gemeinsam mit dem Chor die Passanten wissen, dass er im Wald dem gefräßigen Tier und den Kugeln der Schützen sicher entronnen ist.
    Gleich nachdem die Strophe zu Ende war, bekam die Sopranistin als Erste Baldrian, worauf der Arzt zu dem Sekretär und den übrigen eilte, um auch ihnen davon zu geben.
    – Verzeihen Sie bitte –, fragte Lastotschkin plötzlich dasFräulein, – ist hier vielleicht ein schwarzer Kater vorbeigekommen? …
    – Von wegen ein Kater! –, schrie sie voll Wut. – Ein Hornochse! Ein richtiger Hornochse leitet bei uns die Filiale! – Und fügte hinzu: – Er soll’s ruhig hören! Ich werde nämlich alles erzählen! –, und erzählte tatsächlich alles.
    Es stellte sich heraus, dass der Filialleiter, der (wie das Fräulein es ausdrückte) »der leichten Unterhaltung den Garaus gemacht hat«, schon fast notorisch einen Zirkel nach dem anderen organisierte.
    – Um sich nämlich bei denen da oben einzuschleimen! –, rief das Weib.
    Im Laufe eines Jahres gelang es ihm, einen Lermontow-Forschungskreis, einen Dame- und Schachspielzirkel, eine Tischtennis- und Reitsportgruppe zu gründen. Er drohte auch noch, zum Sommer hin Ruder- und Bergsteigerkurse anzubieten.
    Und heute, in der Mittagspause, kommt er, der Filialleiter, herein …
    – Und bringt so einen Widerling mit –, erzählte das Fräulein, – weiß auch nicht, wo er den aufgegabelt hat! Karierte Hose, kaputter Zwicker und … die Fresse einfach nur peinlich!
    Und den präsentiert er, erzählte sie weiter, allen speisenden Mitarbeitern in der Kantine als einen bedeutenden und erfahrenen Experten in der Führung von Gesangsvereinen.
    Die Mienen der Bergsteiger in spe verdüstern sich augenblicklich. Doch der Filialleiter ruft alle auf, bloß nicht den Kopf hängen zu lassen. Der Experte selbst reißt ein paar Witzchen. Versichert allen, Hand aufs Herz, was den Zeitaufwand betrifft, ist ja das Singen nur Larifari, aber, ganz unter uns g’sagt, von mordsmäßiger Effizienz.
    Da werden Fanow

Weitere Kostenlose Bücher