Meister und Margarita
Vielmehr wehte dem Ankömmling die Feuchte des Kellers entgegen.) Auf einem Tigerfell lag direkt davor und blinzelte gutmütig ins Feuer ein schwarzes Katervieh. Der Anblick der Tafel ließ den gottesfürchtigen Wirt erbeben: Sie war mit Kirchenbrokat gedeckt. Darauf standen zahllose Flaschen – bauchig, angeschimmelt und staubig. Zwischen diesen glitzerteeine Platte, ganz offensichtlich aus purem Gold. Dann der kleine Rothaarige. Am Gürtel ein Messer. In der Hand ein langer stählerner Degen. Damit briet er Fleisch in der Glut des Kamins. Der Saft troff zischend herab, und der Dampf stieg aufwärts und entwich durch die Esse. Es roch nicht nur nach Gebratenem, sondern auch nach starken Essenzen und Weihrauch. Sokow wusste aus Zeitungen von Berlioz’ Tod und von dessen einstigem Wohnort. Ist’s möglich, dass hier eine Seelenmesse ihm zu Ehren gefeiert wurde? Ach was! Ein vollkommen absurder Gedanke!
Da vernahm der verdutzte Wirt des Buffets eine schwere Bassstimme:
– Nun also? Womit kann ich dienen?
Und erkannte im Schatten den Gesuchten.
Der Schwarze Magier hatte es sich auf einem niedrigen Sofa bequem gemacht. Es war riesig und übersät mit Kissen. Trug er wirklich nur schwarze Wäsche und ebenso schwarze spitze Pantoffeln?
– Ich –, begann Andrej Fokitsch bitter, – bin der Leiter des Buffets im Varieté …
Der Artist hob die Hand, auf der Steine prunkten, und gebot dem Besucher still zu sein. Dann sprach er voll Leidenschaft:
– Nein, nein, nein! Kein Wort mehr weiter! Nein, nie und nimmer! Keinen Bissen rühre ich an in Ihrem Buffet! Erst gestern Abend, Verehrtester, bin ich an Ihrer Theke vorbeigegangen. Und kann Ihren Stör und Ihren Schafskäse bis heute nicht aus meinem Gedächtnis tilgen. Schafskäse, mein Guter, existiert nicht in Grün. Da hat man Sie offenbar falsch unterrichtet. Die ihm beschiedene Farbe ist Weiß. Ach ja, und der Tee? Das reinste Spülwasser! Ich habe mit eigenen Augen gesehen: Irgendeine ungepflegte Person entleerte ihren Eimer in den großen Samowar. Der Inhalt war noch nicht abgekocht, wurde aber schon an die Gäste verteilt. Nein, mein Teuerster, das ist schlicht unerträglich!
– Ich muss mich entschuldigen –, sagte Andrej Fokitsch, von dem plötzlichen Angriff aus der Bahn geschleudert, – ich komme in einer anderen Angelegenheit. Und der Stör hat damit gar nichts zu tun.
– Gar nichts zu tun? Er ist ungenießbar!
– Der Stör wurde nur zweiter Güte geliefert –, erklärte der Wirt.
– Das ist Unsinn, mein Bester!
– Was ist Unsinn?
– Die zweite Güte! Es gibt nur eine Güte – die erste. Sie ist auch die letzte. Und wenn ein Stör zweiter Güte ist, kann es folglich nur heißen: Er ist hinüber!
– Ich muss mich entschuldigen … –, wiederholte Sokow, dem der nörgelnde Fremde im Nacken saß.
– Da akzeptiere ich keine Entschuldigungen –, entgegnete jener mit Nachdruck.
– Ich komme in einer anderen Angelegenheit –, stammelte der Wirt nun völlig verstimmt.
– In einer anderen? –, wunderte sich der ausländische Magier. – Aber welch eine andere Angelegenheit könnte Sie zu meiner Schwelle geführt haben? Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, verkehrte ich bis heute nur mit einer Person, deren Gewerbe dem Ihren vergleichbar wäre. Diese Marketenderin … Doch das ist lange her, noch vor Ihrer Zeit … Nun, was soll’s! Ich bin froh! Azazello! Einen Schemel für den Herrn Leiter des Theaterbuffets!
Der die Fleischstücke briet, wandte sich um, den Wirt mit seinem Stoßzahn erschreckend, und schob ihm geschickt einen der dunklen niedrigen eichenen Hocker zu. Andere Sitzgelegenheiten bot der Raum nicht.
– Haben Sie vielen Dank –, sagte Andrej Fokitsch und nahm Platz. Doch ein Bein des Bänkchens brach krachend, und der Wirt fiel mit leisem Aufschrei hin, wobei sein Gesäß ziemlich schmerzhaft aufschlug. Im Sturz traf der Fuß noch ein anderesBänkchen, und ein Kelch voller Rotwein ergoss sich ihm über die Hose.
– Ach, ich hoffe, Sie haben sich nicht verletzt! –, rief der Artist.
Azazello half Sokow, wieder hochzukommen und reichte ihm einen anderen Sitz. Doch mit einer zutiefst unglücklichen Stimme lehnte der Wirt den Vorschlag des Hausherrn ab, die Hose auszuziehen und sie am Feuer zu trocknen. Und das obwohl die nasse Unterwäsche und Beinkleidung mehr als unangenehm war. Er setzte sich auf den ihm gebotenen Schemel, diesmal mit aller nötigen Vorsicht.
– Ich sitze gern niedrig –, bemerkte der
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