Meister und Margarita
bedeutungsvoll und zog die Augenbrauen zusammen.
Margarita wurde sehr wütend.
– Aha? Neue Masche? Ein Straßenkuppler! –, sagte sie und machte sich auf zum Gehen.
– Na, herzlichen Dank für solche Aufträge! –, rief beleidigt der Rote und brummte ihr nach: Blöde Kuh!
– Mistkerl! –, zischte sie über die Schulter und hörte sogleich hinter sich die Stimme des Roten:
– Das Dunkel, das vom Mittelmeer heranschlich, überzog die dem Statthalter verhasste Stätte. Schon verschwanden die hängenden Brücken, die den Tempel mit dem grauenerregenden Antonia-Turm verbanden … Schon verschwand Jerschalajim, die große Stadt, wie nie gewesen … Und von mir aus können Sie auch verschwinden, zum Teufel noch mal! Sie mit Ihrem verbrannten Heft und dem welken Röslein! Sitzen Sie nur weiter hier auf der Bank und betteln, er soll Sie wieder freigeben, Sie atmen lassen, sein Bild aus Ihrem Gedächtnis löschen!
Margarita wurde weiß im Gesicht und kehrte zur Bank zurück. Der Rote musterte sie durch die Augenschlitze.
– Ich verstehe nicht –, begann Margarita Nikolajewna leise, – das mit den Blättern lässt sich ja noch in Erfahrung bringen … ausspionieren … Ihr habt die Natascha bezahlt, nicht wahr? Doch wie könnt ihr meine Gedanken wissen? – Und sie runzelte schmerzlich die Stirn. – Sagen Sie mir, wer sind Sie? Von welcher Behörde kommen Sie?
– Ach, wie öde! –, murmelte der Rote und redete lauter: – Verzeihen Sie, aber ich habe Ihnen doch schon gesagt: Ich komme von überhaupt keiner Behörde. Und jetzt setzen Sie sich.
Margarita fügte sich in blindem Gehorsam. Aber fragte noch einmal, bevor sie Platz nahm:
– Wer sind Sie?
– Also gut, ich heiße Azazello. Doch das sagt Ihnen herzlich wenig.
– Verraten Sie mir, woher Sie von den Blättern und von meinen Gedanken wissen?
– Negativ –, entgegnete Azazello trocken.
– Aber Sie wissen etwas über ihn ? –, flüsterte Margarita flehentlich.
– Nun, sagen wir mal, ja.
– Bitte, verraten Sie mir nur eins: Lebt er? Ach, quälen Sie mich nicht!
– Ist ja gut, ist ja gut, er lebt –, antwortete Azazello unwillig.
– Mein Gott!
– Bitte ohne Aufregung und Emotionsbekundungen –, sagte Azazello mit grimmigem Gesicht.
– Tut mir leid, tut mir leid –, stammelte Margarita, nunmehr völlig gehorsam, – natürlich war ich ziemlich verärgert. Stellen Sie sich vor: Eine Frau auf der Straße. Wird von einem Wildfremden eingeladen … Glauben Sie mir –, sie schmunzelte freudlos, – ich hege keinerlei Vorurteile, doch ich traf mich bisher nicht mit Ausländern. Habe dazu auch, offen gesagt, nicht die geringste Lust … Außerdem ist mein Mann … Die Tragödie ist: Ich lebe mit jemandem zusammen, ohne ihn zu lieben, würde es doch nicht übers Herz bringen, ihm wehzutun. Er ist immer so gut zu mir …
Azazello hörte sich diese versponnene Rede teilnahmslos an und sagte genervt:
– Dürfte ich Sie bitten, mal eine Minute lang die Klappe zu halten?
Und Margarita hielt brav die Klappe.
– Der Ausländer, zu dem ich Sie einlade, ist im Übrigen vollkommen unbedenklich. Außerdem wird von Ihrem Besuch keine Menschenseele erfahren. Also, da lege ich meine Hand für ins Feuer.
– Und was will er von mir? –, raunte sie.
– Erfahren Sie später.
– Verstehe … Ich muss mich ihm hingeben –, sagte Margarita nachdenklich.
Worauf Azazello etwas hämisch auflachte und sagte:
– Seien Sie versichert: Jede Frau auf der Welt würde viel drum geben! –, grinsend verzog sich Azazellos Visage, – doch ich muss Sie enttäuschen: Dazu wird es nicht kommen.
– Was ist das denn nur für ein Ausländer?! –, sagte Margarita ganz durcheinander und so laut, dass sich einige Passanten nach ihr umdrehten. – Und was hätte ich für ein Interesse, ihn zu besuchen?
Azazello neigte sich ihr zu und flüsterte bedeutsam:
– Tja, ich denke, das Interesse dürfte kolossal sein … Zum Beispiel, die Gelegenheit beim Schopf zu packen …
– Wie? –, rief Margarita aus, und ihre Pupillen rundeten sich. – Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie mir andeuten: Ich erfahre dort etwas über ihn?
Azazello nickte stumm mit dem Kopf.
– Ich komme! –, sagte sie entschlossen und ergriff Azazellos Arm. – Ich komme, ich komme, wohin Sie wollen!
Azazello atmete erleichtert auf und sank zurück auf die Lehne der Bank, das groß eingekratzte Wort »Ljuba« verdeckend.
– Frauen! –, sprach er ironisch. – Frauen!
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