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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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wenig, und sie hält es nicht aus und zwinkert dem Leichnam zu: »Na, wo gibt’s denn so was? Beinahe schon Mystik!« Genauso verdattert schauten die anderen drein (insgesamt nicht viel mehr als dreihundert Mann), die feierlich hinter dem Wagen schritten.
    Margarita blickte dem Zug hinterher. Die große Trommel verklang allmählich mit ihrem elenden humpfa, humpfa. Eine komische Beisetzung! Und dann: Wie lästig dieses andauernde humpfa. »Ich würde ja meine Seele dem Teufel verpfänden, um zu erfahren, ob er noch lebt«, dachte Margarita. »Ich wüsste ja nur zu gern, wen die hier zu Grabe tragen, mit all ihren wunderhübschen Gesichtern«.
    – Wen? Michail Alexandrowitsch Berlioz … –, erklang gleich neben ihr eine näselnde Männerstimme. – Den Vorsitzenden der Massolit.

    Margarita Nikolajewna sah sich verwundert um. Auf ihrem Bänkchen saß jemand. Hat er klammheimlich neben ihr Platz genommen, als sie mit den Gedanken bei der Prozession war? Hat sie ihre letzte Frage laut gestellt?
    Der Marsch wurde nun zähflüssiger, gebremst von den Ampeln irgendwo vorne.
    – Ja –, sprach derjenige neben ihr, – jetzt sehen die aber dumm aus. Tragen einen Toten zu Grabe und denken einzig daran, wo sein Kopf abgeblieben ist!
    – Was denn für ein Kopf? –, fragte Margarita, den unverhofften Fremden studierend. Kleinwüchsig. Feurig rotes Haar. Ein Stoßzahn. Der Kragen gestärkt. Nadelstreifen guter Arbeit. Lackschuhe. Greller Schlips. Melone. Aber dann: In der Brusttasche – wo die Herren gewöhnlich Taschentücher oder Füllfederhalter tragen – ein abgenagter Hühnerknochen.
    – Tja, wissen Sie –, erklärte der Rote, – heute Morgen wurde im Gribojedow – Saal dem Leichnam der Kopf aus dem Sarg geklaut.
    – Aber wie ist das möglich? –, fragte Margarita bewegt. Das Getuschel im Trolleybus! Aber natürlich!
    – Weiß der Geier, wie! –, sagte lässig der Rote. – Behemoth könnte es besser beantworten. Auf jeden Fall ganz schön ausgekocht! Sorgt für Riesenbohai! Und vor allem ist unklar, wer den Kopf braucht und zu welchem Zweck!
    Margarita Nikolajewna war mit anderem beschäftigt. Doch das seltsame Gefasel des Unbekannten erregte ihre Neugier.
    – Momentchen! –, rief sie plötzlich aus. – Welchen Berlioz? Etwa den, der heute in den Zeitungen …
    – Freilich! …
    – Und die dem Sarg folgen, sind das Literaten? –, fragte Margarita und fletschte die Zähne.
    – Aber ja doch, und wie die es sind!
    – Kennen Sie jeden von ihnen persönlich?
    – Wie meine Westentasche –, erwiderte der Rote.

    – Sagen Sie bitte –, sprach Margarita auf einmal mit dumpf gewordener Stimme, – der Kritiker Latunski, der ist nicht rein zufällig dabei?
    – Wie könnte er fehlen? –, sprach der Rote. – Das ist der da drüben, in der vierten Reihe, außen.
    – Doch nicht etwa der Blonde? –, kniff Margarita die Augen zusammen.
    – Aschenblond … Der gerade die Augen zum Himmel hebt.
    – Wie ein römischer Priester?
    – Haargenau der!
    Mehr fragte Margarita nicht, betrachtete jedoch Latunski ausgiebig.
    – Sie scheinen ja –, sagte der Rote lächelnd, – diesen Latunski ziemlich zu hassen.
    – Ich hasse auch noch so manchen anderen –, zwängte Margarita durch die Zähne. – Aber es lohnt nicht, darüber zu sprechen.
    Der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Den Gehenden folgte noch eine Reihe von größtenteils leeren Automobilen.
    – Da haben Sie recht, Margarita Nikolajewna!
    Margarita war überrascht:
    – Sie kennen mich?
    Statt einer Antwort lüftete der Rote den Hut und machte damit eine grüßende Bewegung.
    »Eine richtige Gaunervisage!«, dachte Margarita und sah sich ihr Gegenüber etwas näher an.
    – Ich jedenfalls kenne Sie nicht –, versetzte sie trocken.
    – Wie sollten Sie auch? Dabei komm’ ich zu Ihnen mit einem klitzekleinen Auftrag.
    Margarita erbleichte und wich zurück.
    – Das hätten Sie mir gleich sagen sollen, anstatt lauter Schwachsinn zu reden. Von wegen abgeschnittener Kopf! Und? Bin ich jetzt verhaftet?
    – Nicht doch! –, rief der Rote. – Also das gefällt mir: Ich brauche Sie wohl nur anzusprechen, schon sind Sie auch gleich verhaftet! Nein, es geht um eine bestimmte Sache.
    – Ich verstehe nicht, was denn für eine Sache?
    Der Rote sah sich um und sagte geheimnisvoll:
    – Ich wurde geschickt, um Sie für den heutigen Abend einzuladen.
    – Was faseln Sie da? Wohin einzuladen?
    – Zu einem höchst vornehmen Ausländer –, sagte der Rote

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