Meister und Margarita
Dann werde ich in naher Zukunft sterben. Schön – das Ende all meiner Leiden. Wenn er lebt, dann meint es: Er möchte sich ankündigen und sagen, dass wir uns wiedersehen! Ja, wir sehen uns sehr bald wieder!«
In solch einem aufgeregten Zustand, zog Margarita sich an. Im Grunde lief alles doch wie am Schnürchen. Und solche Gelegenheiten dürfen nicht verpasst, müssen beim Schopf ergriffen werden. Der Ehemann ist für ganze drei Tage fort – auf einer Geschäftsreise. Ganze drei Tage zur freien Verfügung! Um nach Lust und Laune zu denken und zu träumen! In allen fünf Zimmern im Obergeschoss einer Villa, nach der sich in Moskau Tausende und Abertausende die Finger lecken!
Sie hatte nun ganze drei Tage für sich und eine richtige Luxuswohnung, dennoch gab sie darin einem Ort den Vorzug, der mit Abstand nicht der beste war. Nachdem sie Tee getrunken hatte, ging sie in das dunkle fensterlose Zimmer, wo in zwei großen Schränken Koffer und lauter Gerümpel aufbewahrt wurden. Hockend öffnete sie die unterste Schublade des ersten Schranks und holte unter einer Unzahl von Seidenschnipseln das einzig Wertvolle hervor, was sie in ihrem Leben besaß. Das alte Album aus braunem Leder mit der Fotografie des Meisters. Das Sparbuch mit den auf seinen Namen eingezahlten zehntausend Rubeln. Die in Zigarettenpapier gelegten Blätter einer vertrockneten Rose. Einen Teil des ganzseitigen vollgetippten Hefts mit angebranntem unterem Rand.
Mit all diesen Schätzen kehrte Margarita Nikolajewna in ihr Schlafzimmer zurück. Sie stellte die Fotografie an den dreifachen Spiegel und blieb davor eine Stunde sitzen – das angesengte Heft auf dem Schoß – und überflog das, was seit der Verbrennung ohne Anfang und Ende war: »… Das Dunkel, das vom Mittelmeer heranschlich, überzog die dem Statthalter verhasste Stätte. Schon verschwanden die hängenden Brücken, die den Tempel mit dem grauenerregenden Antonia-Turm verbanden. Vom Himmel senkte sich der Abgrund und übergoss die beflügelten Götter über der Rennbahn, den Hasmonäer-Palast mit seinen Schießscharten, die Märkte, die Karawansereien, die Gassen, die Teiche … Schon verschwand Jerschalajim, die große Stadt, wie nie gewesen …«
Sie las weiter, aber da war nichts – nur eine verkohlte unebene Kante.
Margarita Nikolajewna wischte die Tränen weg und legte das Heft beiseite. Dann stützte sie ihre Ellenbogen auf die Konsole und saß, sich spiegelnd, noch lange Zeit da. Die Augen fixierten die Fotografie. Nun waren auch die Tränen getrocknet. Margarita legte ihren Besitz wieder ordentlich zusammen. Und begrub ihn einige Minuten später erneut unter den Seidenfetzen. Die Tür des dunklen Zimmers fiel schallend ins Schloss.
Margarita Nikolajewna warf sich im Flur den Mantel über. Ihr Hausmädchen Natascha – eine echte Schönheit – fragte, was sie denn zu Mittag möchte, und bekam zur Antwort: »Egal.« Um sich selbst etwas zu zerstreuen, trat sie mit der Hausherrin ins Gespräch und erzählte ihr lauter Klatsch und Tratsch. Gestern im Theater zeigt ein Zauberer Tricks, so gut, dass alle einfach perplex sind. Jeder bekommt zwei Flacons ausgeteilt (ausländisches Parfum) und Strümpfe gratis. Und nach der Séance geht das Publikum auf die Straße und – zack! – sind sie plötzlich alle nackt. Margarita Nikolajewna sank im Flur auf den Sessel unter dem Spiegel und lachte.
– Natascha! Und Sie schämen sich nicht? –, sagte Margarita Nikolajewna. – Ich meine, Sie sind doch ein gebildetes Mädchen! In der Einkaufsschlange wird weiß Gott was geschwatzt, und Sie schnappen das alles auf!
Natascha lief rot an und entgegnete hitzig, es ist kein Geschwätz. Sie selbst hat heute im Geschäft am Arbat eine Frau gesehen: Die kommt in Damenschuhen herein. Bezahlt an der Kasse. Und auf einmal sind die Schuhe von den Füßen verschwunden. Und sie steht nur noch in Socken da. Die Augen: so groß! An der Ferse: ein Loch! (Die Schuhe, die stammten von dieser Séance. )
– Und spaziert so raus?
– Und spaziert so raus! –, rief Natascha, immer mehr in Wallung, weil ihr nicht geglaubt wird. – Und gestern Nacht, Margarita Nikolajewna, hat die Miliz fast hundert Leute mitgenommen. Die Fräuleins liefen nach dieser Séance in Höschen über die Twerskaja!
– Das hat Ihnen gewiss die Dascha erzählt –, sagte Margarita Nikolajewna. – Die erzählt nämlich viel, wenn der Tag lang ist.
Und dann eine schöne Überraschung. Am Ende des lustigen Gesprächs ging
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