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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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nach Parfum. Und von irgendwo her zog der Geruch eines glühenden Bügeleisens herein.
    Margarita Nikolajewna saß vor dem Pfeilerspiegel. Einzig in ihrem Bademantel und in schwarzen Lederschühchen. Vor ihr die Uhr am goldenen Armband und die kleine Dose des Azazello. Margarita starrte unverwandt auf das Zifferblatt. – War die Feder kaputt? – Die Zeiger bewegten sich ja gar nicht. Nein, sie bewegten sich – aber zu langsam – klebten auch immer wieder fest. Endlich fiel der längere Arm auf die neunundzwanzigste Minute nach neun. Margaritas Herz machte einen Ruck – so schrecklich, dass sie kaum noch Kraft fand, das Döschen in die Hand zu nehmen. Es kostete sie einige Überwindung, dann aber öffnete sie es. Darin war gelbliche fette Crème. Verbreiteteeinen Hauch von Schlamm. Mit der Fingerspitze trug Margarita ganz wenig davon auf die Handfläche auf. Schon roch es nach Sumpfgras und Waldesfeuchte. Dann beschmierte sie Wangen und Stirn.
    Die Crème ließ sich sehr leicht einreiben – und schien sogleich zu verdunsten. Noch ein paar Striche, dann warf Margarita einen Blick in den Spiegel und – ließ das Döschen fallen – direkt auf das Uhrenglas, welches sich rasch mit feinen Rissen bedeckte. Sie schloss die Augen, schaute zum zweiten Mal und brach in schallendes Gelächter aus.
    Die Brauen – an den Rändern von der Pinzette zu langen schmalen Fäden bezupft – wurden dichter und zogen vollendete Bögen über die grünenden Augen. Und von dem vertikalen Fältchen, welches – seit Oktober, da der Meister verschwand – haarscharf die Nasenwurzel zerteilte, blieb keine einzige Spur zurück. Die gelben Schatten um die Schläfen herum und die winzigen Kreuze in den Augenwinkeln waren allesamt fort. Die Wangen erfüllte gleichmäßiges Glühen, die Stirnpartie wurde blank und glatt, und die Dauerwellen lösten sich wieder.
    Auf die dreißigjährige Margarita sah aus dem Spiegel eine junge Frau – mit natürlichen schwarzen Locken – bestenfalls zwanzig Jahre alt – lauthals lachend und zähnebleckend.
    Sie lachte sich die Seele aus dem Leibe, schlüpfte sogleich aus dem Bademantel, langte ins Döschen und verteilte eine dicke Portion überall auf der Haut, die sofort eine feurige Kraft durchpulste. Schon wurde dem Hirn der Stachel gezogen, und dieser dumpfe Schmerz an der Schläfe, der seit der Begegnung im Alexandergarten anhielt, legte sich plötzlich. Die Muskeln an Arm und Bein erstarkten. Und dann – war Margaritas Körper – auf einmal – schwerelos!
    Sie tat einen kleinen Sprung und schwebte – über dem Teppich! –, bis es sie wieder langsam zu Boden zog.
    – Was für eine Crème! Was für eine Crème! –, rief Margarita und fiel in den Sessel.

    Die Kur veränderte sie nicht nur äußerlich. Durch alle Poren, durch jede Zelle sprudelte Freude in prickelnden Bläschen. Margarita war frei von jeglichem Zwang. Ja, die Vorahnung von heute Morgen! Sie hat sich bestätigt! – Nie wieder die Villa! Nie wieder das alte alltägliche Leben! Aber von diesem alten Leben bröckelte noch ein Gedanke ab: Ein letztes Gebot, das erfüllt werden muss, bevor dieses Neue, Außergewöhnliche, das sie hoch in die Luft zieht, beginnen kann. Und nackt, wie sie war, bei jedem Schritt schwebend, eilte sie zum Büro ihres Ehemanns, machte dort Licht und stürzte zum Schreibtisch. Auf einem herausgerissenen Blatt schrieb sie – tadellos – schnell – und schwungvoll:
    »Vergib mir und vergiss mich so bald wie es geht. Ich verlasse dich auf ewig. Suche mich nicht, denn es ist vergeblich. Ich wurde zur Hexe vor lauter Leid, welches mir widerfahren ist. Ich muss fort. Und nun leb wohl. Margarita«.
    Erleichtert flog sie ins Schlafzimmer. Und ihr nach platzte, mit Sachen bepackt, Natascha herein. Und schon purzelte alles – der hölzerne Bügel samt dem Kleid, die Spitzentücher, die blauen Seidenschuhe auf Spannern und der Gürtel – im Nu zu Boden. Und Natascha schlug die nun leeren Hände über dem Kopf zusammen.
    – Und? Schön? –, schrie Margarita Nikolajewna mit heiserer Stimme.
    – Wie geht das? –, flüsterte Natascha zurückweichend. – Wie machen Sie das, Margarita Nikolajewna!
    – Das ist die Crème! Die Crème! Die Crème! –, zeigte Margarita auf das goldene Döschen und vollführte Pirouetten vor dem Spiegel.
    Natascha ließ das Kleid zerknüllt am Boden, rannte hinzu und verschlang mit gierigen glühenden Augen den Rest der Salbe. Ihre Lippen murmelten etwas. Sie wandte sich wieder

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