Meister und Margarita
der Küche ebenfalls. »Scheint jetzt langsam überzulaufen …«, dachte sie und fügte laut hinzu:
– Schluss mit dem Herumsitzen!
Aus der Küche brauste schon eine Flut. Barfuß patschte Margarita durchs Wasser, brachte es eimerweise ins Büro undschüttete alles in die Schreibtischfächer. Zerschlug die Schranktür und eilte ins Schlafzimmer. Zertrümmerte dort die Spiegelkommode, holte daraus den Anzug des Kritikers und versenkte diesen in der Badewanne. Ein volles Tintenfass, welches sie vorhin im Büro beschlagnahmt hatte, leerte sie über das üppig aufgeschüttelte Doppelbett aus. Welch eine Verwüstung! Und wie erregend! Allein das Ergebnis noch viel zu mager. Also losgewettert nach Herzenslust! Die Ficustöpfe im Salon zerbrochen! – plötzlich aufgehört und ins Schlafzimmer gestürmt! – mit dem Küchenmesser die Laken aufgeschlitzt! – die gerahmten Photographien zersplittert! Unermüdlich und schweißüberströmt.
In der Nr. 82 (ein Stockwerk tiefer) saß in der Küche das Hausmädchen des Dramatikers Quant beim Tässchen Tee. Was war das denn nur für ein Gepolter, Gerenne und Gedröhn bei denen dort oben? Sie hob den Kopf. Da schau her: Die Zimmerdecke veränderte ihre Farbe: von weiß zu leichenfahl blau. Der Fleck wuchs heran und aus ihm quollen einzelne Wassertropfen heraus. Noch staunte das Hausmädchen darob, als ein kräftiger Regen herniederprasselte und überall am Boden zu trommeln begann. Sie fuhr hoch und stellte eine Schüssel unter, doch die Sturzflut breitete sich weiter aus und übergoss Gasherd, Tisch und Geschirr. Das Hausmädchen Quants lief kreischend zur Tür, ins Treppenhaus – und in Latunskis Wohnung hub an ein wahres Klingelkonzert.
– Da klingeln sie schon … Es wird langsam Zeit –, sagte Margarita, sich auf den Schrubber setzend. Und durchs Schlüsselloch tönte eine weibliche Stimme:
– Aufmachen! Aufmachen! Dussja, mach auf! Fließt’s bei euch? Wir stehn hier unter Wasser!
Margarita hob sich einen Meter höher und haute kräftig gegen den Kronleuchter. Zwei Lämpchen zerplatzten, die Behänge zerklirrten. Die Schreie im Schlüsselloch verstummten, stattdessen: Getrampel auf der Treppe. Margarita schwebte durchs Fenster auf die Straße, holte leicht aus und versetzte derScheibe einen Schlag von außen. Das Glas schluchzte, und über den Marmor der Wand ergoss sich eine Scherbenkaskade. Da trieb Margarita zum nächsten Fenster. Fern unten auf dem Bürgersteig fingen die Menschen an, hin und her zu laufen. Eins der beiden Automobile, die vorm Eingangsbereich parkten, fuhr ratternd davon.
Mit Latunskis Fenstern fertig geworden, begab sich Margarita zur Nachbarwohnung. Die Hiebe wurden häufiger, durch die Gasse donnerte und krachte es immer stärker. Aus der ersten Tür kam der Portier gerannt, schaute hoch, zögerte etwas, steckte sich die Trillerpfeife in den Mund und pfiff wie rasend. Mit besonderer Lust zerschmetterte Margarita, von diesem schrillen Ton untermalt, das letzte Fenster in der siebten Etage und ging zu der sechsten über.
Entnervt vom langen Nichtstun, dort hinter den gläsernen Türen, legte der Portier in das Pfeifen seine ganze Seele hinein und begleitete Margarita mit Präzision, wie ein guter Korrepetitor. In den Pausen zwischen zwei Fenstern holte er jedes Mal tief Luft. Und bei den darauf einsetzenden Schlägen blies er mit aufgeplusterten Backen, was das Zeug hält. Und das Gepfiff durchbohrte die nächtliche Luft bis zum Himmel.
Mit gemeinsamen Anstrengungen gelang es ihm und der wütenden Margarita, für reichlich Reaktion zu sorgen: Im gesamten Haus herrschte jetzt Panik. Die noch heilen Fenster gingen auf – darin zeigten sich Menschenköpfe – und wurden sogleich wieder eingezogen. Die offenen Fenster wiederum schlossen sich. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite erschienen vor hellem Hintergrund dunkle Umrisse verblüffter Gaffer: Wieso zerspringen ganz von allein die Scheiben im neuen Dramlit – Gebäude?
Außen drängelte sich viel Volk, innen huschten belämmerte Leute ohne jeden Sinn und Verstand – und rauf und runter. Das Hausmädchen Quants schrie den sich Rettenden zu: – Wir stehn hier unter Wasser! – Bald stimmte das Hausmädchen Chustows(aus der Nr. 80, unter den Quants) mit ein. Bei den Chustows schüttete es von oben über dem Herd und im Klosett. Schließlich brach bei den Quants von der Küchendecke eine gewaltige Stuckschicht ab, und zwar direkt auf die schmutzigen Teller – und dann kam es zu
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