Meister und Margarita
Zauberpferdchen? – die spitze Schnute zur verlassenen Stadt hin gewandt.
Doch wozu den Schrubber so heftig jagen? Wozu sich selbst die Möglichkeit rauben, alles in Ruhe zu betrachten und den Flug wirklich auszukosten? Wird man dort, wohin sie jetzt eilt, denn nicht in jedem Fall auf sie warten? Und immer so schnell und so hoch zu fliegen, ist auf Dauer ein wenig öde.
Margarita lenkte die Borsten nach unten, dass der Schwanz in die Höhe fuhr, bremste stark und sank bis zum Grund. Mmm, dies allmähliche Abwärtsgleiten – fast wie auf einem Schlitten aus Luft! Die Erde bewegte sich auf sie zu, in dem formlosen schwarzen Sud ihre Mondnachtmysterien und – reize erweckend. Die Erde ging auf sie zu und umgab sie bereits mit dem Duft von ergrünenden Wäldern. Margarita flog knapp über den Wiesennebeln, dann über einen Teich. Unter ihr sangen im Chor die Frösche. Und irgendwo fern ratterte ein Zug undließ das Herz schneller schlagen. Und schon war er da, langsam schleichend – eine funkensprühende Raupe! Margarita überholte ihn und schwebte über einen weiteren wässrigen Spiegel (worin – unter ihr – ein zweiter Mond schwamm), sank noch tiefer herab, beinahe die Wipfel der riesigen Fichten berührend.
Hinten sauste pfeifend die Luft. Dieses Pfeifen – wie von einem Geschoss – kam näher und mit ihm ein meilenweit hallendes weibliches Lachen. Margarita wandte sich um: Etwas trieb auf sie zu – dunkel, ungetüm – und erhielt nach und nach schärfere Konturen. Etwas Reitendes. Ach so: Natascha! Sie flog heran, die Geschwindigkeit dämpfend.
Vollkommen nackt, mit wehenden Locken, saß sie auf einem fetten Mastschwein. Seine vorderen Haxen umklammerten fest eine Aktentasche, die hinteren zappelten tüchtig. Ein Zwicker, von der Nase geglitten, hing lose daneben an einer Schnur, die Gläser glänzten im mondenen Strahl und wurden gleich wieder fahl. Der Hut rutschte hartnäckig auf die Augen. Margarita schaute genauer hin: Ach du Schreck, es war Nikolaj Iwanowitsch! Und ihr Lachen tönte über dem Wald und verschmolz mit dem Lachen Nataschas.
– Natascha! –, rief Margarita schallend. – Sag bloß, du hast auch die Crème benutzt!
– Liebes! –, antwortete Natascha, mit ihrem Geschrei den entschlummerten Fichtenwald weckend. – Meine französische Königin! Ich hab’ auch dem da die Glatze bekleckst!
– Prinzessin! –, brüllte das Mastschwein wehleidig und trug seine Reiterin im Galopp.
– Margarita Nikolajewna! Liebes! –, schrie Natascha, neben der Herrin sprengend. – Ich geb’s ja zu, ich hab’ was davon probiert. Unsereins will doch auch leben und fliegen! Ach, Margarita Nikolajewna! So schön! … – Hat mir einen Antrag gemacht, der da … – Natascha stieß mit dem Finger in den Hals des verlegen schnaufenden Schweins, – einen Antrag! Wie hast du mich noch einmal genannt? –, rief sie, zu seinem Ohr hin gebeugt.
– Göttin! –, wimmerte jenes. – Nicht so hastig! Ich könnte wichtige Papiere verlieren. Natalja Prokofjewna, ich lege ein Veto ein!
– Zum Teufel! Du und deine Papiere! –, schrie Natascha mit verwegnem Gelächter.
– Pst, nicht so laut, Natalja Prokofjewna! Jemand könnte es hören! –, brüllte flehend das Schwein.
Nebenher fliegend und lautstark prustend, erzählte Natascha von dem, was sich in der Villa abgespielt hatte.
Kaum fliegt Margarita durchs Tor hinaus, lässt das Hausmädchen all die Geschenke liegen, wirft die Kleidung ab, rennt zur Crème und reibt sich augenblicklich damit ein. Da geschieht mit ihr haargenau dasselbe wie mit ihrer Herrin. Noch steht sie lachend vor dem Spiegel und weidet sich an der eigenen zauberhaften Schönheit, als die Tür aufgeht – und vor ihr erscheint Nikolaj Iwanowitsch. Ganz aufgeregt – in der einen Hand Margaritas Bluse – in der anderen Aktentasche und Hut. Er sieht Natascha und bekommt weiche Knie. Reißt sich zusammen und erklärt, puterrot: Es war reinste Pflicht, das Hemdchen aufzuheben und eigenhändig zu überbringen …
– Was hast du mir sonst noch so gesagt, Mistkerl? –, kreischte Natascha lachend. – Nun, was hast du mir sonst noch so gesagt? Worauf hattest du Lust? Und für teures Geld! Wovon sollte Klawdija Petrowna nichts erfahren? Oder hab’ ich das etwa frei erfunden? –, schrie Natascha dem Mastschwein zu, das nur betreten die Schnauze wegdrehte.
Zu allerlei Streichen aufgelegt, verpasst Natascha Nikolaj Iwanowitsch im Schlafzimmer einen Tupfer mit der Crème und staunt
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