Meister und Margarita
nicht schlecht: Das Gesicht des Nachbars von unten zieht sich zu einem Rüssel zusammen, Hände und Füße werden Hufe. Als er sich selbst im Spiegel erblickt, heult er wild und verzweifelt auf. Freilich zu spät. In ein paar Sekunden fliegt er – besattelt – aus Moskau weg – zum Teufel! – und jammert was das Zeug hält.
– Ich beantrage die sofortige Rückgabe meines normalen Aussehens! –, grunzte plötzlich das Vieh, halb wütend, halb flehend. – Ich habe meine Teilnahme an einer nicht genehmigten Versammlung keinesfalls bewilligt! Margarita Nikolajewna, Sie sind verpflichtet, Ihr Hausmädchen in die Schranken zu weisen!
– Aha! Jetzt bin ich also ein Hausmädchen! Ein Hausmädchen! –, rief Natascha und zwickte das Schwein ins Ohr. – Eben war ich noch Göttin! Sag, wie hast du mich genannt?
– Aphrodite! –, quengelte das Mastschwein, während es einen zwischen den Kieseln plätschernden Bach überflog und mit den Hufen raschelnd die Haselnusssträucher streifte.
– Aphrodite! Aphrodite! –, triumphierte Natascha, die eine Hand in die Hüfte gestemmt, die andere zum Mond hin gehoben. – Margarita! Königin! Legen Sie für mich ein Wort ein! Dann darf ich für immer Hexe bleiben! Auf Sie wird man hören! Sie haben die Macht!
Und Margarita antwortete:
– Gut, ich verspreche es!
– Danke! –, rief Natascha und schrie plötzlich barsch und zugleich wehmütig: – Hopp hopp! Hopp hopp! Und los! Tempo! – Ihre Schenkel schlossen sich um den Schweinsrumpf, der vom Gerase sichtlich dünner geworden war. Und das Viech tat einen solchen Ruck, dass die Luft schon wieder zu pfeifen begann. Natascha entschwirrte – erst ein winziger Punkt – schließlich ganz weg – und das Rauschen verhallte.
Margarita flog – weiterhin langsam – durch eine öde und fremde Landschaft – über Hügel mit vereinzelten Findlingen vor gewaltigen Fichtenbäumen. Margarita flog nachdenklich. Moskau. War es sehr weit? Der Schrubber glitt nicht mehr oberhalb der Bäume, sondern zwischen den Stämmen hindurch, die an den Seiten das Mondlicht versilberte. Der leichte Schatten der Schwebenden eilte ihr voraus, denn die Strahlen trafen sie jetzt von hinten.
Wasser. Irgendwo ganz in der Nähe. Und auch das Ziel! Jetzttraten die Fichten weich auseinander – ein steil verlaufender Kreidehang – und dahinter – unten – im Dunkeln – der Fluss. Über dem Gesträuch – dort in der Tiefe – hing Nebeldunst, an den Zweigen haftend. Das Ufer gegenüber niedrig und flach. Mit einer einsamen Schar üppiger Bäume. Ein Feuerschein zuckte, und darin huschten irgendwelche kleinen Gestalten. Und klang das etwa nicht wie Musik? – aufstachelnd – heiter! Und ferner – so weit auch das Auge reicht – auf der glitzernden Fläche – keine einzige Spur – weder von Siedlungen noch von Menschen.
Margarita hüpfte den Hang herunter und kam hurtig am Wasser an. – Wie verlockend nach der Jagd durch die Lüfte! Also fort mit dem Schrubber! Rasch Anlauf genommen und kopfüber in die Flut geschlüpft! Der Leib – völlig schwerelos – glitt pfeilgleich hinein, und eine sprudelnde Säule schoss in die Höhe – beinahe bis zum Mond! Das Wasser – warm – wie in der Sauna. Margarita tauchte vom Abgrund auf und planschte nach Herzenslust – ganz allein – in dem nächtlichen Strom.
Es war niemand da, aber etwas weiter, hinter den Büschen, ein Plätschern und Schnaufen. Dort badete jemand.
Margarita stieg heraus, lief über das Ufer. Der Leib flammte ihr noch vom Bad. Keinerlei Müdigkeit. Und heiter tanzte sie auf dem feuchten Gras. Plötzlich hielt sie inne und horchte. Das Geschnauf kam näher, und aus den Weidensträuchern kroch ein nackter Fettwanst hervor, im Nacken ein schwarzer seidener Zylinder. An den Füßen – statt der Lackschuhe – Schlamm. So wie er dauernd keuchte und hickste, hatte er bereits ganz schön was intus. Selbst vom Fluss her wehte Cognacgeruch.
Als der Dicke Margarita erblickte, betrachtete er ausgiebig ihr Gesicht und grölte erfreut:
– Ich seh’ wohl nicht recht! Ja, wen haben wir denn da? Du? Claudine? Die Lustige Witwe? Auch hier? –, und er beeilte sich mit handfesten Begrüßungen.
Margarita tat einen Schritt zurück und erwiderte würdevoll:
– Ach, hau doch ab und scher dich zum Teufel! Siehst du hier irgendwo eine Claudine? Pass bloß auf, mit wem du sprichst! – Und nach kurzem Zögern ließ sie eine lange, nicht druckfähige Schimpftirade folgen. Dies alles zeigte
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