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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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tänzelnd ins Schlafzimmer getorkelt. Mit dem Stiel trommelte er auf dem Boden herum, trat aus, bemüht, durchs Fenster zu entwischen. Margarita stieß einen Jubelschrei aus und setzte sich rittlings darauf. Aber Momentchen, hat sie in diesem Durcheinander nicht vergessen sich anzuziehen? Sie galoppierte zum Bett und griff nach irgendeiner hellblauen Bluse. Diese schwenkte sie – eine Standarte! – und sauste so zum Fenster hinaus. Und der Walzer über dem Garten brauste mit noch größerer Wucht dahin.
    Vom Fenster glitt Margarita nach unten und sah die Bank mit Nikolaj Iwanowitsch. Er saß wie versteinert und lauschte verdattert dem Lärm und Gedröhn aus dem erleuchteten Schlafzimmer seiner Nachbarn von oben.
    – Machen Sie’s gut, Nikolaj Iwanowitsch! –, rief Margarita, vor ihm hüpfend.
    Er schnappte nach Luft und krabbelte auf allen vieren über die Bank, sodass seine Aktentasche zu Boden fiel.
    – Auf Nimmerwiedersehen! Ich fliege weg! –, schrie sie, den Walzer übertönend. Wozu brauchte sie noch ihre Bluse? Fies auflachend, bedeckte sie damit Nikolaj Iwanowitschs Kopf.Und – geblendet – krachte er von der Bank auf die Steine des Gartenpfads.
    Margarita wandte sich noch einmal um – ein letzter Blick auf diese Villa, wo sie so lange leiden musste! Aus dem lichterloh flammenden Fenster schaute das vor lauter Verblüffung verzerrte Gesicht Nataschas heraus.
    – Leb wohl, Natascha! –, rief Margarita und lenkte den Schrubber hoch. – Unsichtbar! Unsichtbar! –, schrie sie noch lauter, schoss durch die Ahornzweige, die ihre Wangen schlugen, überflog das Tor und schwirrte in die Gasse. Und hinterher jagte der rasend gewordene Walzer.

Kapitel 21
Der Flug
    Unsichtbar und frei! Unsichtbar und frei! Margarita sauste über die Gasse und gelangte sogleich in eine zweite, die zu der ersten quer verlief – geflickt und gestopft – gekrümmt und lang – mit der schiefen Tür des Petroleumlädchens – wo becherweise Paraffinöl und Mittel zur Schädlingsbekämpfung verkauft wurden. Margarita überflog sie in Sekundenschnelle. Aber auch eine Unsichtbare und Freie muss – selbst dann, wenn sie sich vergnügt – wenigstens etwas vernünftig sein: Wie durch ein Wunder gelang es Margarita, vor einer verbogenen Straßenlaterne an der Ecke zu bremsen und eben noch auszuweichen. Das war ja noch einmal gutgegangen! Sie drückte sich fester an den Stiel, drosselte ein wenig die Geschwindigkeit und gab jetzt mehr acht auf elektrische Kabel und Aushängeschilder über dem Gehsteig.
    Die dritte Gasse führte zum Arbat. Hier begriff Margarita drei Dinge: Der Schrubber reagiert schon auf die kleinste Bewegung der Arme und Beine – über der Stadt gilt es, aufzupassen und nicht allzu stürmisch zu sein – der Flug ist tatsächlich für die da unten vollkommen unsichtbar! Kein Heben der Köpfe. Kein Geschrei »Schau, schau!«. Kein Springen zur Seite. Keine Schwächeanfälle. Kein Gekreisch. Kein wildes Gelächter.
    Margarita glitt lautlos – sehr langsam – nicht hoch (ungefähr auf der Ebene des ersten Stockwerks), aber kurz vor dem knallig bestrahlten Arbat flog sie dennoch zu unkonzentriert und schlug sich die Schulter an irgendeinem Leuchtschild, das einen Pfeil zeigte. Das machte sie wütend, also zügelte sie den zahmen Schrubber, holte seitlich aus, stürzte sich unvermittelt auf das Schild und ließ es mit der Spitze des Stiels zerbersten. Klirrend regnete es Splitter. Die Passanten zuckten erschrocken zusammen. Von ferne erklang eine Trillerpfeife. Und, wozu war das alles jetzt gut? – Margarita kullerte sich vor Lachen. Sie dachte: »Am Arbat ist Vorsicht geboten! Dort ist so vieles durcheinandergerührt, dass einem der Kopf schwirrt.« Zwischen den Oberleitungen tauchte sie ab. Unter ihr schwammen Dächer von Trolley-, Autobussen und Personenwagen. Über dem Gehsteig: Ströme von Käppis – zerliefen und rannen in die flammenden Schlünde der Nachtgeschäfte.
    »So ein Gequirl!«, dachte Margarita verärgert. »Eng wie in einer Sardinenbüchse!« Sie durchquerte den Arbat – segelte aufwärts – zum dritten Stock – vorbei an den grellen Röhren des Ecktheaters – und dann in die schmale Gasse mit den hohen Häusern hinein. Alle Fenster standen weit offen und aus jedem schepperte Radiomusik. Neugierig schaute Margarita in eines davon. Küchenzimmer. Zwei Spirituskocher, heulend auf dem Herd. Zwei Frauen, Löffel in der Hand, zankend.
    – Und das Licht im Klo gehört ausgeknipst! Ist das klar,

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