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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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einer richtigen Sturzflut: Durch die Maschen der hängenden nassen Fasern goss es in Strömen. Von der Treppe des ersten Eingangs kreischte es. Margarita flog am vorletzten Fenster der dritten Etage vorbei. Darin setzte sich ein starr eingeschüchterter Mann gerade eine Gasmaske auf. Ein kurzes Hämmern gegen seine Fensterscheibe jagte ihm noch mehr Angst ein – und weg war er.
    Die wilde Zerstörung nahm ein jähes Ende: Als Margarita am zweiten Stockwerk entlangglitt, fiel ihr Blick in das äußerste Fenster, mit einer leichten dunklen Gardine zugezogen. Im Zimmer brannte ein schwaches Nachtlicht. Auf einem kleinen Gitterbettchen saß ein Junge von etwa vier Jahren und horchte erschrocken. Eltern nicht da? Die sind wohl aus der Wohnung geflüchtet.
    – Da wird Glas zerbrochen –, stammelte der Junge und rief: – Mama!
    Es folgte keine Antwort, der Junge sagte:
    – Mama, ich hab’ Angst.
    Margarita öffnete die Gardine und flog herein.
    – Ich hab’ Angst –, wiederholte der Junge zitternd.
    – Hab keine Angst, hab keine Angst, Kindchen –, sagte Margarita und bemühte sich, ihre vom Wind heisere Ganovenstimme zu besänftigen. – Es sind Buben, die haben ein paar Fenster kaputtgemacht.
    – Mit der Fletsche? –, fragte der Junge, und sein Zittern legte sich.
    – Klar. Mit der Fletsche. – Bestätigte sie. – Schlaf jetzt!
    – War bestimmt der Sitnik –, sagte der Junge, – der hat eine Fletsche.
    – Klar. Er war es!

    Der Junge blickte ein wenig verschmitzt irgendwo hin zur Seite und fragte:
    – Wo bist denn du, Tante?
    – Mich gibt es nicht –, erklärte Margarita, – du träumst nur.
    – Hab’ ich mir gleich gedacht –, meinte der Junge.
    – Du legst dich jetzt hin –, befahl sie, – tust das Fäustchen schön unter die Wange und träumst weiter von mir.
    – Ist gut. Dann komm auch –, sagte er, legte sich sofort hin und tat das Fäustchen unter die Wange.
    – Ich erzähl’ dir ein Märchen –, begann sie und streichelte ihm mit der erhitzten Hand über den geschorenen Kopf. – Es war mal eine Tante. Sie hatte keine Kinder und auch gar kein Glück. Erst weinte sie lange, dann wurde sie böse … – Margarita verstummte und zog die Hand weg. Der Junge schlief.
    Sie legte den Hammer leise aufs Fensterbrett und flog hinaus. Vor dem Haus tummelten sich Menschen, huschten hin und her auf dem Bürgersteig, der mit zerbrochenem Glas übersät war, und schrien immer wieder etwas heraus. Dazwischen auch schon die ersten Milizmänner. Jetzt läutete plötzlich eine Glocke, und vom Arbat her rollte in die Gasse ein roter Feuerwehrwagen mit einer Leiter …
    Schwamm drüber! Margarita packte den Schrubber fester, schoss vorbei an den Stromkabeln und war schon einen Augenblick später hoch über dem verflixten Haus. Die Gasse unter ihr kippte weg, stürzte abwärts. Stattdessen erschien weit unter den Füßen ein Gewimmel von Dächern, in schrägen Winkeln von leuchtenden Pfaden durchkreuzt. Dies alles fuhr auf einmal zur Seite, und die Lichterketten verschwammen zu einem einzigen Band.
    Margarita machte noch einen Ruck, und die Dächer wurden wie vom Erdboden verschluckt. An deren Stelle trat jetzt ein ganzer See aus irisierenden elektrischen Pünktchen. Und dieser See stand plötzlich senkrecht, hing schon bald über ihrem Kopf, während tief unten der Mond erglänzte. Ach so, sie hat sich imFlug gedreht! Margarita richtete sich wieder auf. Schon schwand der See – ein rosa Schillern irgendwo hinten am Horizont. Auch dieses schwand. Allein Margarita. Und der Mond links oben. Längst glich ihr Haar dem der Vogelscheuchen, und das Mondlicht floss pfeifend um ihren Leib. Wie unerhört schnell! – Aus den beiden Reihen vereinzelter Funken wurden zwei fortlaufende feurige Streifen, die sogleich wieder entschwirrten. – Ein Wunder, dass es ihr nicht den Atem verschlug!
    Bereits einige Augenblicke später entfachte unten – in der irdischen Nacht – ein neuer elektrisch schimmernder See, legte sich erst zu Füßen der Fliegenden, rotierte dann wirbelnd und versank. Noch ein paar Augenblicke – dieselbe Erscheinung.
    – Das sind Städte, das sind Städte! –, rief Margarita.
    Ab und zu in schwarzen offenen Futteralen matt glänzende Säbel: die Flüsse.
    Und links oben – ein herrlicher Anblick! – der Mond, zurück, Richtung Moskau rasend – und zugleich – wie seltsam! – regungslos stehend – und seine rätselhaft dunkle Prägung zeigend – einen Drachen? – ein

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