Meister und Margarita
Glück! –, flüsterte Korowjew zu Margarita. – Da, schauen S’, er kommt schon wieder zu sich.
Und tatsächlich war der Blick des Kranken nicht mehr so irre und unruhig.
– Aber das bist ja du, Margot? –, fragte der mondene Gast.
– Zweifel nicht, ich bin’s –, antwortete Margarita.
– Mehr! –, befahl Woland.
Nachdem der Meister das zweite Glas geleert hatte, füllten sich seine Augen wieder mit Leben und Verstand.
– Na, das sieht doch schon viel besser aus –, sagte Woland ihn musternd, – nun können wir reden. Wer sind Sie also?
– Jetzt bin ich niemand –, gab der Meister zur Antwort, und ein Lächeln entstellte seinen Mund.
– Wo kommen Sie her?
– Aus dem Haus der Trübsal. Ich bin ein Geistesgestörter –, erklärte der Ankömmling.
Das war zu viel für Margarita, und sie fing wieder an zu weinen. Nachdem sie sich die Augen getrocknet hatte, rief sie:
– Wie kannst du das sagen! Wie kannst du das sagen! Messire, Sie müssen wissen: Er ist ein Meister! Heilen Sie ihn, er ist es wert!
– Sie haben eine Vorstellung davon, mit wem Sie im Augenblick sprechen? –, fragte Woland den Besucher. – Und bei wem Sie sich gerade befinden?
– Ich denke, schon –, antwortete der Meister. – Mein Nachbar in der Irrenanstalt war dieses Jüngelchen, Iwan Besdomny. Er erzählte mir von Ihnen.
– Ach, ja, natürlich –, erwiderte Woland, – das Vergnügen, den jungen Mann kennenzulernen, war ganz meinerseits. Er hätte mich am Patriarchenteich auch beinahe um den Verstand gebracht, indem er zu beweisen trachtete, ich sei nicht vorhanden! Sie aber glauben doch hoffentlich, dass ich es bin?
– Das muss ich jetzt wohl –, sagte der Ankömmling. – Aber es wäre in der Tat sehr viel tröstlicher, zu glauben, Sie seien eine Halluzination. Mit Verlaub –, ergänzte er, sich besinnend.
– Nun ja, wenn Sie es für tröstlicher halten, dann glauben Sie das ruhig –, antwortete Woland höflich.
– Nein, nein! –, warf Margarita erschrocken ein und rüttelteden Meister an der Schulter. – Komm wieder zu dir! Er ist es, er ist es!
Der Kater musste auch da ins Wort fallen:
– Ich habe wirklich etwas von einer Halluzination an mir. Achten Sie nur auf mein Profil im Mondschein. – Er stellte sich in die Lichtsäule, im Begriff, etwas zu verdeutlichen, wurde aber zum Schweigen aufgefordert. Sagte noch: – Abgemacht, ich will schweigen. Dann werde ich halt eine schweigende Halluzination sein. – Und … schwieg.
– Verraten Sie mir doch, warum Margarita Sie immerzu »Meister« nennt? –, fragte Woland.
Der andere schmunzelte nur und erklärte:
– Das ist eine verzeihliche Schwäche. Sie hält zu viel von diesem Roman, den ich damals geschrieben habe.
– Ein Roman? Und worüber?
– Über Pontius Pilatus.
Und wieder begannen die Flammenzünglein der Kerzen zu flackern und zu hüpfen, und das Geschirr schepperte auf dem Tisch. Woland brach in donnerndes Gelächter aus. Aber niemand erschrak oder zeigte sich erstaunt. Behemoth klatschte. Warum auch immer.
– Wie? Worüber? –, er lachte nicht mehr. – Ein wunderbarer Zeitpunkt! Einfach großartig! Als gäbe es kein anderes Thema! Darf ich einmal sehen? –, und er öffnete die Hand.
– Leider nicht –, antwortete der Meister, – denn ich habe ihn in meinem Ofen verbrannt.
– Verzeihen Sie, doch ich kann es nicht glauben –, sagte Woland, – ja, das ist ganz und gar ausgeschlossen. Manuskripte brennen nicht. – Er wandte sich dem Kater zu: – Komm, Behemoth, gib mir den Roman.
Schon sprang der Kater von seinem Sitz – einem stattlichen Stapel Manuskripte. Das oberste Exemplar reichte er mit einer Verbeugung Woland. Margarita erbebte und schrie unter Tränen:
– Da! Das Manuskript! Da ist es!
Sie lief zu Woland und ergänzte entzückt:
– Allmächtig! Allmächtig!
Woland nahm das ihm gereichte Exemplar in die Hand, drehte es um, legte es beiseite. Schweigend, ohne Lächeln betrachtete er den Meister. Doch jener wurde jetzt grundlos traurig und furchtsam, erhob sich vom Stuhl und murmelte händeringend und zitternd zum fernen Mond:
– Selbst in der Nacht, beim Mondlicht, ist mir keine Ruhe vergönnt … Warum werde ich nur gestört? Ihr Götter, ihr Götter …
Margarita verkrallte sich in den Hausmantel des Patienten, schmiegte sich an ihn und murmelte nun auch selbst in Wehmut und Tränen:
– Mein Gott, warum hilft die Arznei dir nicht?
– Halb so wild, halb so wild, halb so wild –, hauchte
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