Meister und Margarita
wird doch nicht etwa Falernum sein?
– Caecuba, dreißig Jahre alt –, gab Pilatus freundlich zur Antwort.
Der Gast legte die Hand aufs Herz und lehnte ab, noch etwas zu essen, denn er habe keinen Hunger mehr. Da füllte Pilatus seine Schale mit Wein, und der andere tat dasselbe. Die beiden Tafelnden gossen etwas von ihrem Wein auf den Teller mit dem Fleisch, und der Statthalter verkündete, die Schale erhoben:
– Auf uns und auf dich, oh Caesar, Vater aller Römer, du Teuerster und Bester unter den Menschen!
Dann tranken sie den Wein aus, die Afrikaner räumten die Speisen vom Tisch und ließen nur Obst und die Krüge zurück. Und wieder einmal hieß Pilatus seine Diener mit einer Geste gehen und blieb mit dem Gast unter den Säulen allein.
– Also –, begann Pilatus leise, – was lässt sich über die Stimmung in dieser Stadt sagen?
Unwillkürlich lenkte er den Blick hinter die Gartenterrassen, nach unten, wo die Pfeiler und flachen Dächer, von den letzten Strahlen vergoldet, allmählich verglühten.
– Ich vermute, Statthalter –, sagte der Besucher, – dass sich die Stimmung in Jerschalajim im Lot hält.
– Dann kann die Ordnung als sicher gelten? Wir haben keine Unruhen mehr zu befürchten?
– Als sicher gelten –, antwortete der Gast dem Statthalter mitverständnisvollem Lächeln, – kann in der Welt nur eine einzige Sache: die Macht unseres großen Caesars.
– Mögen die Götter ihm ein langes Leben bescheren –, griff Pilatus den Faden auf, – und auch einen anhaltenden Frieden. – Er schwieg und sprach weiter: – Also denkst du, die Truppen dürfen abgezogen werden?
– Vielleicht die Kohorte der Fulminata –, antwortete der Gast und ergänzte: – Sie sollte zum Abschied aber noch einmal durch die Stadt defilieren.
– Eine glänzende Idee! –, stimmte Pilatus ihm zu. – Ich lasse die Soldaten übermorgen abrücken, werde auch selbst von hier fortgehen. Ja, bei dem Gastmahl der zwölf Götter und bei den Laren: Ich würde vieles darum geben, könnte ich es schon heute tun!
– Der Statthalter mag Jerschalajim wohl nicht? –, fragte der andere gutmütig.
– Ich bitte dich! –, lachte Pilatus auf. – Es gibt auf Erden keinen tristeren Ort. Über die Natur will ich gar nicht erst reden! Jedes Mal, wenn ich gezwungen bin, herzukommen, werde ich krank. Das wäre aber noch halbwegs erträglich. Aber diese Feste! Mit Hexern, Magiern, Zauberern und Scharen von Pilgern … Alles Eiferer! Alles Eiferer! Denk nur einmal an deren Messias, der plötzlich für dieses Jahr erwartet wurde! Schon vermutest du jeden Augenblick die blutigsten Auseinandersetzungen. Immer wieder die Truppen neu formieren! Denunziationen und Beschwerden lesen! Die Hälfte davon über mich selbst! Gib zu, das ist nur wenig erfreulich. Ich weiß, ich weiß, der kaiserliche Dienst …
– Das ist wahr, die Feste sind eine Mühsal –, sagte der Besucher.
– Ich wünsche mir sehnlichst ihr Ende herbei! –, fügte Pilatus bewegt hinzu. – Dann könnte ich endlich nach Caesarea. Denn diese irrsinnige Konstruktion des Herodes –, zur Verdeutlichung glitt seine Hand durch die Säulenhalle, – bringt mich noch ganzum den Verstand. Es ist mir unmöglich, hier zu schlafen. Die absonderlichste Architektur der gesamten Welt! … Aber zurück zu unseren Geschäften. Zunächst einmal folgende Frage: Dieser verdammte Bar-Rabban bereitet dir keine Sorgen mehr?
Genau da warf der Gast seinen typischen Blick auf des Statthalters Wange. Doch jener sah mit gelangweilten Augen und angewidert in die Ferne und betrachtete den Stadtteil vor seinen Füßen, der im Vorabendschein erlosch. Auch der Blick des Gastes erlosch, und seine Lider senkten sich.
– Man sollte davon ausgehen –, antwortete er, und über das runde Gesicht huschten kleine Fältchen, – dass Bar-Rabban zahm wie ein Lämmchen geworden ist. Jetzt zu rebellieren, wäre unangebracht.
– Zuviel Bekanntheit? –, fragte Pilatus und lächelte.
– Der Statthalter durchschaut den Sachverhalt wie immer vollkommen!
– Auf jeden Fall aber –, bemerkte Pilatus, und sein langer dünner Zeigefinger, mit einem schwarzen Edelstein verziert, hob sich in die Höhe, – sollte man …
– Oh, der Statthalter kann ganz beruhigt sein. Solange ich in Judäa bin, wird Bar-Rabban keinen Fuß vor den anderen setzen, ohne verfolgt zu werden.
– Na, dann bin ich beruhigt, wie ich übrigens immer beruhigt bin, wenn du hier bist.
– Der Statthalter ist sehr
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