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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Treppe hinunter (dieselbe Treppe, die der Statthalter heute Mittag erstiegen hatte, um zum Volk zu sprechen) – ja, sogar der Brunnen plätscherte hörbar. Es klarte auf. In der dunklen Schicht, die nach Osten zog, zeigten sich blaue Fenster.

    Da erklangen von fern, durch den nunmehr ganz schwach gewordenen Tropfenfall, leise Trompeten und das Gezirp zahlloser Hufe. Es war die Ala. Sie kehrte zurück vom Kahlen Berg. Dem Geräusch zufolge – über just jenen Platz, wo das Urteil verkündet worden war.
    Da endlich: Schritte, ein Klappen der Sohlen auf den Stufen zur obersten Gartenterrasse – unmittelbar vor der Galerie. Der Statthalter machte den Hals lang. Seine Augen glänzten in Vorfreude.
    Zwischen den beiden marmornen Löwen erschien zuerst ein Kopf mit Kapuze und dann ein durch und durch nasser Mensch im Umhang, der sich eng an den Körper schmiegte. (Derselbe, der vor der Urteilsverlesung im verdunkelten Raum des Palastes heimlich mit Pilatus gesprochen. Derselbe, der während der Hinrichtung auf dem dreibeinigen Schemel gesessen, mit einem dünnen Stöckchen spielend.)
    Ohne auf die Pfützen achtzugeben, überquerte der Mann in der Kapuze die Gartenterrasse, betrat den Mosaikboden der Galerie, hob seine Hand und sagte mit hoher angenehmer Stimme:
    – Ich grüße den Statthalter! – Der Ankömmling redete Latein.
    – Ihr Götter! –, rief Pilatus aus. – Du hast ja keine trockene Stelle an dir! Das nenne ich einen Wirbelsturm! Bitte ohne Aufschub zu mir. Und tu mir den Gefallen: Zieh dich um.
    Der Besucher schlug die Kapuze zurück. Ein ganz nasses Haupt. Die Haare an der Stirn klebend. Das Gesicht rasiert. Er lächelte höflich, lehnte es ab, sich umzuziehen. Nur etwas Regen. Halb so schlimm.
    – Kein Wort mehr –, sagte Pilatus und klatschte. Ein Zeichen für die sich versteckenden Diener, ihm vor Augen zu treten. Und er befahl, den Gast zu versorgen und sofort danach warme Speisen aufzutragen. Um sein Haar zu trocknen, neue Kleidung und Schuhe anzulegen und sich in Ordnung zu bringen, brauchte der Mann sehr wenig Zeit. Und schon stand er auf der Galerie:Sandalen und der purpurne Militärmantel frisch, die Strähnen glatt gestrichen.
    Jetzt kehrte auch die Sonne nach Jerschalajim zurück und sandte, bevor sie von hinnen ging und im Mittelmeer versank, ihre Abschiedsstrahlen an diese Pilatus verhasste Stätte, tauchte die Stufen der Galerie in Gold. Der Brunnen wurde jetzt vollends lebendig und tönte so laut wie er nur konnte. Die Tauben kamen hervor, gurrten, hüpften über gebrochene Äste, pickten nach irgendetwas im feuchten Sand. Die rote Lache war weggewischt, die Scherben fortgeräumt. Auf dem Tisch rauchte das Fleisch.
    – Ich erwarte die Befehle des Statthalters! –, sagte der Mann und näherte sich der Tafel.
    – Du wirst lange warten, wenn du nicht zuvor Platz genommen und Wein getrunken –, entgegnete der Statthalter und wies dem Gast die andere Liege zu.
    Der Ankömmling streckte sich aus, wonach ihm der Diener dickflüssigen roten Wein in die Schale goss. Ein anderer Diener schenkte Pilatus ein, vorsichtig über dessen Schulter gebeugt. Doch auf des Statthalters Wink hin verschwanden die beiden.
    Während der Besucher aß und trank, nippte Pilatus und studierte mit forschendem Blick den Mann. Nicht zu jung, nicht zu alt. Das Gesicht sehr angenehm. Rund und gepflegt. Die Nase fleischig. Das Haar von unbestimmter Farbe. Jetzt im trockenen Zustand ein wenig heller. Volkszugehörigkeit schwer zu erraten. Die hervorstechendste Eigenschaft: dieser Ausdruck von Gutmütigkeit. Bis auf die Augen. Beziehungsweise nicht die Augen selbst, vielmehr die Art, den anderen zu betrachten. Ja, die Augen. Für gewöhnlich klein, unter halb geschlossenen, etwas seltsamen, gedunsenen Lidern. Mit einer durch die Ritzen leuchtenden wohlmeinenden Verschmitztheit. Vermutlich mit reichlich Sinn für Humor. Doch von Zeit zu Zeit verscheuchte der Gast den Humor daraus vollständig, hob die Lider und starrte sein Gegenüber unmittelbar an. Wozu? Umetwa auf dessen Nase noch schnell einen winzigen Punkt zu erkunden? Freilich dauerte das nur eine Sekunde, dann sanken die Lider, die Ritzen zogen sich in die Länge, dahinter: Gutmütigkeit und List.
    Der Ankömmling hatte auch nichts gegen eine zweite Schale einzuwenden, ließ sich ein paar Austern auf der Zunge zergehen, kostete ein wenig vom gekochten Gemüse, aß ein Stück Fleisch.
    Gesättigt, lobte er den Wein:
    – Eine vortreffliche Rebe, Statthalter! Das

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