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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Der Statthalter liegt immer richtig, aber diesmal täuschte er sich –, erwiderte scherzend der Besucher, – der Mann aus Kirjath ist blutjung.
    – Sieh an! Und kannst du ihn näher beschreiben? Ein Eiferer?
    – Nein, durchaus nicht, Statthalter.
    – So? Und weiter?
    – Er ist sehr hübsch.
    – Wie, und mehr nicht? Aber, wofür schwärmt er?
    – Wer kann schon behaupten, Hegemon, die Menschen in dieser riesigen Stadt zu kennen?
    – Nicht doch, Afranius! Warum so bescheiden?
    – Er schwärmt nur für eine einzige Sache, Statthalter. – Der Besucher machte eine winzige Pause. – Er schwärmt für Geld.
    – Welchen Geschäften geht er denn nach?
    Afranius hob die Augen, überlegte und antwortete:
    – Er arbeitet in der Wechselstube bei einem seiner Sippengenossen.
    – Ich verstehe, ich verstehe, ich verstehe, ich verstehe. – Der Statthalter verstummte und sah nach, ob sich noch jemand auf der Galerie befand, dann sagte er leise: – Also, Folgendes. Ichhabe heute die Nachricht erhalten, er soll diese Nacht erstochen werden.
    Nicht nur streifte der Blick des Gastes den Statthalter, sondern klebte auch eine Weile auf ihm. Erst dann kam die Antwort:
    – Der Hegemon denkt über mich viel zu schmeichelhaft. Ich glaube, seine Empfehlung nicht zu verdienen, denn diese Nachricht ist mir neu.
    – Du bist der höchsten Auszeichnungen würdig! –, entgegnete ihm der Statthalter. – Dennoch liegt mir die Nachricht vor.
    – Dürfte ich wohl nach der Quelle fragen?
    – Gestatte mir, sie vorerst nicht zu nennen: Das Gerücht ist noch sehr zufällig, nebelhaft, unzuverlässig. Trotzdem muss ich auf alles gefasst sein. Das gehört zu meinen Aufgaben. Aber am meisten zähle ich auf meinen Instinkt, denn er hat mich niemals im Stich gelassen. Die Nachricht indes besagt: Einer der heimlichen Freunde Ha-Nozris sei über den ungeheuerlichen Verrat dieses Wechslers dermaßen empört, dass er mit seinen Verbündeten plane, ihn heute Nacht umzubringen und das Geld für die treulose Tat dem Hohenpriester zurückzusenden – mit dem Schriftfetzen: »Da habt ihr euer verdammtes Geld«.
    Nun warf der Kommandant des Geheimdienstes dem Statthalter keine überraschenden Blicke mehr zu, sondern lauschte ihm mit zusammengekniffenen Augen. Und Pilatus setzte fort:
    – Und jetzt stell dir einmal vor, welch eine Freude solch ein Geschenk in der festlichen Nacht dem Hohenpriester bereiten wird!
    – Nicht nur Freude bereiten –, sagte lächelnd der Gast, – es wird wohl auch für einen riesengroßen Skandal sorgen.
    – Ganz meiner Meinung. Darum will ich, dass du dich um diese Angelegenheit kümmerst, sprich: alle Maßnahmen zum Schutz des Judas von Kirjath ergreifst.
    – Der Befehl des Hegemon wird ausgeführt werden –, sprach Afranius, – doch kann ich Euch beruhigen: Das Vorhaben derMissetäter ist schwer durchzuführen. Wie soll das auch gehen? –, er schaute sich um. – Einen Menschen beschatten, ihn erstechen, dann herausfinden, wie viel er bekommen hat und, als sei es noch nicht genug, das Geld Kaiphas zurückschicken – in einer einzigen Nacht! In dieser Nacht!
    – Dennoch werden sie ihn heute erstechen –, hielt Pilatus daran fest. – Ich sage es doch: mein Instinkt. Er hat mich noch nie im Leben betrogen –, ein Zittern lief über sein Gesicht, und er rieb sich kurz die Hände.
    – Jawohl –, stieß der Gast voll Ergebenheit aus, erhob sich, machte den Rücken gerade und fragte auf einmal streng und ernst: – Dann wird er also erstochen, Hegemon?
    – So ist es –, antwortete Pilatus. – Alle Hoffnung ruht jetzt auf deiner schon legendären Tüchtigkeit.
    Der Besucher rückte unter dem Umhang seinen schweren Gürtel zurecht und sagte:
    – Habe die Ehre und wünsche dem Statthalter Gesundheit und Freude.
    – Ach ja –, rief Pilatus leise aus, – beinahe wäre es mir entfallen! Ich schulde dir etwas …
    Der Gast stutzte.
    – Aber nein, Statthalter, Ihr schuldet mir nichts.
    – Nichts? Dann will ich dir auf die Sprünge helfen: Als ich in Jerschalajim einzog … Weißt du noch? … Diese vielen Bettler am Tor … Ich wollte ihnen etwas Geld zuwerfen, hatte aber keine Münzen mit und habe mir welche von dir geliehen.
    – Aber Statthalter, das sind doch Kleinigkeiten!
    – Auch Kleinigkeiten wollen unvergessen sein.
    Und Pilatus drehte sich um, hob den Mantel auf, der hinter ihm auf dem Sessel ruhte, ergriff ein darunterliegendes Ledersäckchen und reichte es dem Gast. Dieser nahm es, verbeugte sich

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