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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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sah aufwärts: Dort oben – in einer furchtbaren Höhe – über dem Tempel – wurden jetzt zwei fünfarmige Riesenleuchter entfacht. Doch sie waren nur schemenhaft – waren zehn nie geschaute gigantische Lampen – wetteifernd mit dem Licht jener einzelnen, welche sich über Jerschalajim erhob – mit der glühenden Lampe des Mondes.
    Ganz gleich. Nur das Tor von Gat-Schmanim erreichen. Möglichst rasch diese Stadt verlassen. Und da vorne – zwischen den Gesichtern und Rücken – tänzelt da nicht die schlanke Gestalt und zieht ihn nach sich? Das kann nicht sein. Sie ist schon viel weiter. Judas rannte an Wechselstuben vorbei. Endlich – das Tor von Gat-Schmanim. Schnell hindurchschlüpfen – aber nein: Ein Kamelzug, unterwegs in die Stadt – dahinter eine Syrerpatrouille. Verflucht.
    Alles hat irgendwann ein Ende. Schon war Judas jenseits der Mauer. Zur Linken ein kleiner Totenacker. Daneben gestreifte Pilgerzelte. Nach der staubigen Straße, vom Mond geflutet: der Kidron. Nichts wie hin – zu ihm. Den Bach überqueren. Unter dem Fuß – leise und murmelnd – rieselndes Wasser. Von Stein zu Stein springend, erreichte Judas das andere Ufer, Gat-Schmanim. Ein Glück: der Pfad unterhalb der Gärten vollkommen leer. Und in der Ferne bereits das bröckelnde Tor zum Olivengut.
    Erst die stickige Stadt und jetzt auf einmal der betörende Duft einer Frühlingsnacht! Aus dem Garten – über den Zaun hinweg – ergoss sich eine Woge von Wohlgeruch – die Myrten und Akazien benachbarter Auen.
    Das Tor war von keinem bewacht. Niemand da. Und wenige Minuten später lief Judas unter dem geheimnisvollen Schatten kolossaler Olivenbäume. Der Weg führte den Berg hinan. Judas stieg aufwärts, atmete schwer und geriet hin und wieder aus dem Dunkeln in bemusterte mondene Teppiche hinein. Wie jene – dort – in dem Teppichladen von Nisas eifersüchtigem Gatten. Und dann – links auf der Wiese – die Ölpresse: ein schweres Steinrad und jede Menge Fässer. Niemand da. Die Arbeit gleich nach dem Eintritt der Dunkelheit zu Ende gegangen. Und oben erdröhnten berauschende Chöre von Nachtigallen.

    Ganz nah. Noch einmal nach rechts abbiegen. Dort in der Finsternis erklang schon fast das zarte Wasserplätschern der Grotte. Und da war sie. Begleitet von wachsender Kälte.
    Er verlangsamte den Schritt und rief leise:
    – Nisa?
    Doch anstelle von Nisa löste sich vom dicken Olivenstamm und sprang auf den Pfad eine kräftige Mannsgestalt. In der Hand etwas Glitzerndes, das gleich erlosch. Judas stieß einen schwachen Schrei aus und stürzte zurück. Da kreuzte seinen Weg ein zweiter Mann.
    Der Erste, vorne, fragte Judas:
    – Wie viel hast du soeben bekommen? Los, sprich, wenn du leben willst.
    Also gab es noch eine Hoffnung! Und Judas kreischte:
    – Dreißig Tetradrachmen! Dreißig Tetradrachmen! Seht! Ich trage sie hier bei mir! Nehmt alles, aber lasst mir das Leben!
    Der Vordere entriss ihm sofort die Börse. In derselben Sekunde kam von hinten ein Dolch angesaust und traf den Verliebten wie ein Blitzschlag unter der Schulter. Judas wurde vorwärts gestoßen und schleuderte die Hände mit den gezackten Fingern hoch in die Luft. Der Vordere fing ihn auf. Und zwar mit der Klinge seines Dolches. Die schob sich ihm bis zum Heft ins Herz.
    – Ni-sa … –, brachte Judas hervor, nicht so wie sonst, gesanglich und klangvoll, sondern tief, tadelnd, enttäuscht. Nie sagte er jemals wieder ein Wort. Und wie er niedersank, prallte sein Leib gegen die Erde, dass diese erdröhnte.
    Da trat auf die Straße ein dritter Mann. Er trug einen Mantel mit Kapuze.
    – Hurtig –, befahl er. Die Mörder packten die Börse – zusammen mit einem Schriftfetzen, den der Dritte ihnen dazugab – rasch in Leder und schlugen darüber ein Kreuz mit einer Schnur. Der Zweite steckte das Bündel ein, und die beiden Meuchler stiebten auseinander, fort von dem Pfad. Und dieFinsternis fraß sie zwischen all den Oliven. Der Dritte jedoch ging in die Hocke und sah dem Toten ins Angesicht. Und im Schatten war es so weiß wie Kreide und zugleich vergeistigt und schön.
    Nur wenige Augenblicke später blieb auf dem Pfad kein Lebender mehr. Der entseelte Leib lag auf der Erde, die Arme gebreitet, der linke Fuß im mondenen Fleck, was jeden Riemen auf seiner Sandale hervortreten ließ. Indes der gesamte Gat-Schmanim-Garten von Nachtigallen durchzwitschert war. Wohin sich die zwei, die Judas erstochen hatten, hiernach begeben haben, weiß niemand. Wogegen der

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