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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Weg des Kapuzenträgers bekannt ist. Er verließ den Pfad und lenkte den Schritt noch tiefer ins Dickicht der Olivenbäume. Im südlichen Teil, ganz weit vom Haupttor, dort, wo die oberen Steinreihen bröckelten, kletterte er über die Mauer und erreichte schon bald das Ufer des Kidron. Er watete, und schon bald erschienen in der Ferne die Umrisse zweier Pferde und eines Mannes neben ihnen. Die Tiere standen auch selbst im Wasser, und die Wellen rannen um ihre Knöchel. Der Mann stieg auf das eine Pferd, der Kapuzenträger auf das andere, langsam ritten sie durch den Fluss, nur die Kiesel knirschten unter den Hufen. Sie gingen an Land vor Jerschalajim und trotteten die Stadtmauer entlang. Hier nun trennten sich die beiden: Der Mann sprengte vorwärts und verschwand. Der Kapuzenträger ließ das Pferd auf dem einsamen Pfad halten, saß ab, zog seinen Mantel aus, stülpte ihn um, holte darunter einen flachen federlosen Helm hervor und setzte ihn auf. Diesmal bestieg das Pferd ein Krieger im Militärrock mit kurzem Schwert an der Hüfte. Er berührte die Zügel, und der heißblütige Kavalleriehengst galoppierte davon, den Reiter im Sattel hin und her stoßend. Es war nicht weit: Schon zeigte sich das südliche Tor von Jerschalajim.
    Unter dem Torbogen tanzten und hüpften ruhelose Feuer der Fackeln. Die Wachen der Zweiten Centurie der Legio Fulminata saßen auf Steinbänken und spielten Würfel. Sie erblickten den Reiter und erhoben sich rasch. Er winkte ihnen zu und passierte das Tor.
    Die Stadt war von festlichem Licht durchtränkt. In allen Fenstern zuckten die Flämmchen der Lampen, und von überall her erklangen – zu einem unstimmigen Chor zusammengefügt – die Dankgebete. Ab und zu sah der Krieger in ein Fenster hinein. Dort saßen die Menschen beim Pessach-Mahl. Auf der Tafel lag das Fleisch eines Zickleins neben Schalen mit Wein und bitteren Kräutern. Ein leises Liedchen vor sich hin trällernd, zog der Mann im ruhigen Trab durch die leeren Straßen der Unteren Stadt in Richtung des Antonia-Turms. Manches Mal hob er seine Augen zu den auf der Welt nie zuvor geschauten fünfarmigen Riesenleuchtern, welche über dem Tempel loderten, oder zum Mond, der noch höher stand.
    Der Palast von Herodes dem Großen nahm an der nächtlichen Feier nicht teil. In den Behelfslagern im Süden, wo sich die römischen Offiziere und der Legat der Legion niedergelassen hatten, war Licht, dort herrschte noch Bewegung und Leben. Der ganze vordere Teil dagegen, der einen einzigen und zumal unfreiwilligen Bewohner beherbergte, war mit all seinen Säulenhallen und goldenen Statuen vom Mondschein geblendet. Hier, im Inneren, blieb alles finster und still. In dieses Innere wünschte der Statthalter (wie er Afranius angekündigt) sich nicht zu begeben und befahl, ihm das Bett auf der Galerie zu bereiten, dort, wo er zu Abend gespeist und am Morgen das Verhör durchgeführt hatte. Er streckte sich auf dem Lager aus, allein der Schlaf wollte nicht kommen. Der nackte Mond hing oben am klaren Himmel, und Pilatus sah ihn stundenlang an, ohne seinen Blick abzuwenden.
    Erst um die Mitternachtsstunde herum erbarmte sich der Schlaf Hegemons. Den Statthalter befiel ein krampfhaftes Gähnen. Er öffnete den Mantel und zog ihn aus. Ebenso den Gürtel, der sein Hemd umfasste. (Samt der Scheide, darin ein breiter Dolch steckte.) Ließ diesen auf den nebenstehenden Sessel fallen. Warf die Sandalen ab. Legte sich nieder. Banga stieg gleich zu ihm ins Bett, schmiegte den Kopf an seinen Kopf. Pilatus schlang um ihn einen Arm und vermochte endlich die Augen zu schließen. Dann schlief auch der Hund ein.
    Das Lager selbst befand sich im Zwielicht: Eine Säule verdeckte den Mond. Doch von der Treppe bis hin zum Bett zog sich ein heller mondener Streifen. Sobald der Statthalter die Verbindung zu seiner Umgebung verloren hatte, begab er sich flugs zu dem leuchtenden Pfad und hinan – geradewegs zum Mond. Er musste im Traum sogar lauthals lachen – so einmalig gut war alles gefügt auf dieser durchsichtig blauen Straße. Mit ihm Banga und – nebenher – auch der wandernde Philosoph. Ein Gespräch über etwas Bedeutsames, Vertracktes. Ein unentschiedener Meinungsstreit. Die Argumente ganz unvereinbar – in wirklich jedem einzelnen Punkt. Der Disput umso fruchtbarer – bis in alle Ewigkeit. Die Hinrichtung? – Ach, nur ein Missverständnis. Der Mann mit derart absurden Thesen, wie etwa: »Alle Menschen sind gut«, läuft nebenher – ergo: Er lebt. So

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