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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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verdatterte Dichter verstand die Signale nicht.
    – Aber ja, aber ja –, beeilte sich Berlioz, – das ist alles gut möglich! … Sogar sehr gut möglich! … Das mit Pontius Pilatus und der Galerie und überhaupt … Sind Sie allein hergereist oder mit Ihrer Frau Gemahlin?
    – Allein, allein, ich bin immer allein –, sagte schwermütig der Gelehrte.
    – Und Ihre Sachen, Professor? –, fragte Berlioz schmeichlerisch. – Im Metropol? Wo sind Sie denn abgestiegen?
    – Ich? Nirgends –, erwiderte der idiotische Deutsche, während sein grünes Auge in wildem Trübsinn über den Patriarchenteich jagte.
    – Wie? Und … wo gedenken Sie unterzukommen?
    – In Ihrer Wohnung –, sprach der Verrückte unverschämt und mit einem Zwinkern.
    – Ich … bin natürlich hocherfreut –, murmelte Berlioz, – doch es wäre für Sie nicht gerade bequem … Wogegen die Zimmer im Metropol wirklich hervorragend sind. Muss sagen: Es ist ein Hotel erster Klasse …
    – Und den Teufel, den gibt es auch nicht? –, erkundigte sich, plötzlich belustigt, der Kranke bei Iwan Nikolajewitsch.
    – Den Teufel? …
    – Bloß nicht widersprechen! –, hauchte Berlioz, über den Rücken des Professors gekippt und Grimassen schneidend.

    – Worauf Sie Gift nehmen können! –, rief Iwan Nikolajewitsch genau das Falsche, ganz durcheinander von all dem Mumpitz. – Was ’ne Plage! Hören Sie endlich auf, verrückt zu spielen!
    Da prustete der Wahnsinnige derart los, dass sogar aus der Linde, die über den Köpfen der Sitzenden wuchs, ein Spatz geflattert kam.
    – Das wird ja immer besser mit Ihnen –, feixte der Professor, von Lachkrämpfen geschüttelt. – Wonach man auch fragt, es ist gar nicht da! – Er hörte schlagartig auf zu lachen und verfiel (was bei Geistesgestörten nicht unüblich ist) in das gegenteilige Extrem, indem er gereizt und verärgert quäkte: – Es gibt ihn also nicht, kein bisschen, wie?
    – Ist ja gut, ist ja gut, Professor –, raunte Berlioz, um den Kranken nicht unnötig aufzuregen. – Sie bleiben hier einen Moment lang sitzen, mit dem Genossen Besdomny. Ich flitze nur eben zur Straßenecke, hänge mich kurz an die Strippe, und dann begleiten wir Sie, wo auch immer Sie hinwollen. Man hat sich hier nämlich bald verlaufen …
    Berlioz’ Plan verdient alle Achtung: Zur nächsten Telefonzelle rennen. Das Ausländeramt benachrichtigen. Ein hergereister Sachverständiger sitzt auf dem Square. Offenbar geistig verwirrt. Also dringend was unternehmen. Sonst nimmt dieses ganze Kuddelmuddel noch eine höchst unerfreuliche Wendung.
    – Anrufen? Nun, warum nicht … –, stimmte der Kranke ihm traurig zu und bat plötzlich voller Inbrunst: – Doch zum Abschied flehe ich Sie an: Glauben Sie wenigstens an den Teufel! Mehr kann ich auch gar nicht verlangen. Schließlich existiert dafür ein siebter Beweis, der ist hieb- und stichfest! Und soll Ihnen gleich präsentiert werden.
    – Gewiss, gewiss –, sagte Berlioz mit gekünstelter Sanftheit, zwinkerte dem missmutigen Dichter zu, der vom Gedanken, den närrischen Deutschen hüten zu müssen, so gar nicht angetan war, und eilte zum Ausgang Ecke Bronnaja und Jermolajewski-Gasse.
    Der Professor aber lebte förmlich auf, sein Trübsinn wich.
    – Michail Alexandrowitsch! –, rief er Berlioz nach.
    Jener zuckte zusammen, wandte den Kopf, doch beschwichtigte sich mit dem Gedanken, der Professor kenne auch seinen Namen aus irgendwelchen Zeitungen. Der Professor indes schrie, die Hände zum Sprachrohr gelegt:
    – Wenn’s beliebt, lass ich alsbald ein Telegramm aufsetzen! An Ihren Herrn Onkel in Kiew!
    Und wieder durchfuhr es Berlioz. Woher weiß der Verrückte vom Kiewer Onkel? Davon steht mit ziemlicher Sicherheit nichts in der Zeitung. Sieh an, sieh an! Hat Besdomny womöglich doch recht! Was, wenn die Papiere getürkt sind? So ein bizarres Subjekt aber auch … Es melden, es melden! Es schleunigst melden! Sollen die ihn gefälligst durchleuchten!
    Und ohne ihm ferner sein Ohr zu leihen, rannte Berlioz weiter.
    Aber just vor dem Ausgang zur Bronnaja verließ jetzt die Bank und schlenderte geradewegs auf den Redakteur zu – haargenau jener Kerl, der sich vorhin, bei Sonnenlicht, aus der fettigen Schwüle geformt hatte.
    Nur dass er jetzt nicht mehr aus Luft war, vielmehr normal, leibhaftig. In der beginnenden Abenddämmerung konnte Berlioz deutlich erkennen: Schnurrbart wie Hühnerfedern. Kleine Augen hämisch und halb besoffen. Karierte Hose viel zu weit

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