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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Nikolajewitschs arg zerrüttetes Hirn nur ein einziges Wort: »Annuschka«…
    – Annuschka … Annuschka? … –, brummte der Dichter und sah sich unruhig um. – Momentchen, Momentchen, ich darf doch sehr bitten …
    Am Wort »Annuschka« klebten noch weitere Wörter, wie »Sonn’blumenöl« und – warum auch immer – »Pontius Pilatus«. Letzteren verwarf der Dichter sofort und begann, den Faden von »Annuschka« her zu spinnen. Und dieser Faden war schnellstens geknüpft und führte schnurstracks zum verrückten Professor.
    Mit Verlaub! Sagte er nicht, die Besprechung fällt aus, weil Annuschka Sonnenblumenöl verschüttet hat? Und – da schau her! – sie ist ausgefallen! Doch nicht genug: Er sagte geradewegs heraus, eine Frau wird Berlioz den Kopf abschneiden! Nicht wahr, nicht wahr? Und die Wagenführerin ist eine Frau! Ja, wie erklärt sich denn das, meine Herren?!
    Aber sicher: Der geheimnisvolle Sachverständige hatte im Voraus den gesamten Verlauf von Berlioz’ schrecklichem Tod gekannt. Nun durchfuhren den Dichter zwei Gedanken. Erstens: »Der ist überhaupt kein Verrückter! Alles Kokolores!«, und zweitens: »Hat er das alles etwa selbst eingefädelt?!«
    Aber, gestatten Sie mir die Frage: Wie ist das möglich?!
    – Nein, nicht mit mir! Wir finden’s gleich raus!
    Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung gelang es Iwan Nikolajewitsch, die Bank zu verlassen. Und er rannte dorthin zurück, wo er mit dem Professor gesprochen hatte. Zum Glück war dieser immer noch dort.
    Auf der Bronnaja brannten bereits die Lichter, über dem Patriarchenteich strahlte ein goldener Mond, und in diesem stets trügerischen Mondlicht erschaute Iwan Nikolajewitsch: Der Fremde steht da und hält unter seinem Arm keinen Spazierstock, vielmehr ein Rapier.
    An Iwan Nikolajewitschs Platz saß nunmehr die Nervensäge von Kirchenchorleiter. Mit läppischem Zwicker auf der Nase. Ein Glas fehlte komplett, während das andere einen Sprung aufwies. Dadurch sah der Karierte noch scheußlicher aus, als zu dem Zeitpunkt, da er Berlioz den Weg zu den Schienen gezeigt hatte.
    Mit frierendem Herzen näherte sich Iwan dem Professor, blickte ihm ins Gesicht und stellte fest: Keine Spur von Verrücktheit – weder vorhin noch jetzt.
    – Los, wer sind Sie? –, fragte Iwan dumpf.
    Der Ausländer plusterte sich auf, starrte, als würde er ihn zum ersten Mal sehen, und versetzte harsch:
    – Nix verstehn Russisch …
    – Die verstehen nix! –, mischte sich von der Bank aus der Chorleiter ein, obwohl ihn niemand gebeten hatte, die Worte des Fremden zu kommentieren.
    – Nur keine Spielchen! –, sprach Iwan voller Zorn und mit eisigem Gefühl in der Herzgegend. – Gerade noch haben Sie ziemlich fließend Russisch geredet. Sie sind kein Deutscher und kein Professor! Sie sind ein Mörder und ein Spion! Papiere! –, brüllte Iwan wütend.
    Da verzog der mysteriöse Professor angewidert seinen ohnehin krummen Mund und zuckte die Achseln.
    – He, Sie! –, fiel der eklige Kirchenchorleiter schon wieder ein. – Sie belästigen einen Touristen! Bitte dies gütigst zu unterlassen! Wird neuerdings strengstens geahndet! – Während der dubiose Professor eine verächtliche Miene aufsetzte, sich umdrehte und ging.
    Iwan merkte, die Sache geriet aus dem Ruder. Keuchend wandte er sich an den Kirchenchorleiter:

    – Sie da! Helfen Sie mir, einen Verbrecher zu fangen! Sie müssen, Sie müssen!
    Der Kirchenchorleiter wurde putzmunter, sprang auf und krakeelte:
    – Welcher ist der Verbrecher? Halt, hiergeblieben! Ein ausländischer Verbrecher? –, die Äuglein des Chorleiters hasteten fröhlich umher. – Der da? Also, wenn’s ein Verbrecher ist, dann heißt’s »Mordio!« schreien – sonst is’ er ab durch die Mitte! Kommen Sie – u-u-u-nd! … –, der Chorleiter riss sein Maul auf.
    Der vor den Kopf gestoßene Iwan folgte dem Rat des Schelms und rief »Mordio!«, doch der Chorleiter hatte ihn bloß veräppelt, rief gar nichts.
    Iwans einsamer heiserer Schrei zeigte nur wenig Wirkung. Zwei Frauenzimmer wichen zurück, und er hörte das Wort »ein Besoffener«.
    – Ah! Du steckst wohl mit ihm unter einer Decke! –, schrie Iwan erbost. – Willst mich wohl verschaukeln, wie? Aus dem Weg!
    Iwan scherte nach rechts aus, und – siehe da! – auch der Chorleiter hüpfte nach rechts! Iwan – nach links, und der Sauhund gleichfalls!
    – So, so! Dann läufst du mir vor die Füße! –, brüllte Iwan, außer sich gebracht. – Na, warte,

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