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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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daselbst nirgends sonst als in der Wohnung 47.

    Nachdem er durch den Hauseingang hereingestürzt war, sauste Iwan Nikolajewitsch hoch, zur ersten Etage, fand augenblicklich die besagte Wohnung und klingelte hastig. Es dauerte nicht lange, da öffnete ihm ein Mädchen von circa fünf Jahren, stellte dem Eingetretenen keinerlei Fragen und entfernte sich gleich wieder.
    Ein riesiger, völlig verwahrloster Flur, dürftig beleuchtet vom winzigen Ecklicht ganz oben unter der schmutzigen schwarzen Decke. An der Wand ein reifenloses Fahrrad samt einer gewaltigen eisenbeschlagenen Truhe. Auf dem Regal über dem Kleiderständer eine Fellmütze, die ihre langen Ohren schlaff herabhängen ließ. Irgendwo brüllte mit dumpfer männlicher Stimme ein Rundfunkgerät zornige Verse heraus.
    Die unbekannte Umgebung machte Iwan Nikolajewitsch kein bisschen verlegen, also marschierte er mitten durch den Flur, wobei er sich Folgendes dachte: »Er sitzt gewiss im Badezimmer versteckt.« Der Flur war dunkel. Iwan preschte ein paar Mal gegen die Wände, bevor er spärliches Licht unter einer der Türen bemerkte. Seine Hand fand auch bald die Klinke, zerrte locker daran, der Haken sprang aus der Öse, und Iwan trat doch tatsächlich ins Badezimmer. Ein Glücksfall eben.
    Freilich kein Glücksfall von der erhofften Sorte! Feuchte Wärme hauchte Iwan entgegen, und beim Glitzern der Kohle, die im Erhitzer verglomm, erblickte er seitlich aufgehängte große Bottiche und eine Badewanne, ganz übersät mit grässlichen schwarzen Flecken vom aufgeplatzten Email. Tja, in der nämlichen Badewanne stand nun ein Fräulein – splitternackt, eingeseift, in der Hand ein Bastwisch –, die halbblinden Augen auf den Eindringling gerichtet. Und gefoppt von dem spukhaften Schimmer, sagte sie leise und schelmisch:
    – Kirjuschka, Sie Scherzbold! Was soll das? … Fjodor Iwanowitsch wird doch jeden Augenblick zurückkommen. Los, weg hier! Na, wird’s bald? –, und sie holte mit dem Bastwisch nach ihm aus.

    Eindeutig eine Verwechselung, an der eindeutig Iwan Nikolajewitsch schuld war. Nur dass er es nicht einsehen wollte, tadelnd »Du Flittchen! …« ausrief, um dann, so mir nichts, dir nichts, in der Küche zu landen. Dort befand sich kein Mensch, dafür aber eine stattliche Reihe erloschener Spirituskocher – schweigend – im Zwielicht – auf dem Herd. Ein einsamer Mondstrahl sickerte durch das schmuddelige, jahrelang ungeputzte Fenster und erleuchtete karg jene Ecke, wo in Staub und Spinnweben eine vergessene Ikone hing, hinter deren Schrein die Enden von zwei Traukerzen hervorlugten. Unter der großen Ikone war mit Stecknadeln eine kleine papierene angepinnt.
    Niemand weiß, welch eine Schnapsidee von Iwan Besitz ergriffen hatte, doch bevor er zum einstigen Dienstboteneingang hinausgeflitzt war, lieh er sich kurzerhand noch eine der beiden Kerzen sowie die kleine Ikone aus. Mit diesen Objekten, vor sich hin brummend, verließ er die fremde Wohnung, voller Scham über die Szene im Bad, wobei er noch unwillkürlich rätselte, wer wohl der dreiste Kirjuschka sein mochte. Etwa der Eigentümer der ekligen Ohrenmütze?
    In einer verlassenen trostlosen Gasse sah sich der Dichter nach dem Flüchtigen um und konnte ihn nirgends entdecken. Da erklärte Iwan mit fester Stimme:
    – Natürlich, er ist an der Moskwa! Nichts wie hin!
    Jetzt wäre es vielleicht angebracht gewesen, Iwan Nikolajewitsch danach zu fragen, warum er denn glaube, der Professor sei ausgerechnet an der Moskwa und nicht an irgendeinem anderen Ort. Doch leider Gottes war niemand da, der die Frage ihm hätte stellen können. Die garstige Gasse blieb völlig leer.
    Schon wenige Augenblicke später durfte man Iwan Nikolajewitsch an dem granitnen Amphitheater des Moskwa-Flusses beobachten.
    Er entledigte sich seiner Hüllen und übergab sie der Obhut eines freundlichen Bartträgers. Der saß und rauchte was Selbstgedrehtes, und neben ihm lag ein lumpiger weißer Bauernkittel samt einem Paar aufgeschnürter, plattgetretener Schuhe. Um sich ein wenig abzukühlen, fuchtelte Iwan mit den Armen und schnellte darauf – wie eine Schwalbe im Sturzflug – hinein in die Flut. Es verschlug ihm den Atem, so eisig kalt war das Wasser. Eine Sekunde lang dachte er schon, er käme nicht wieder hoch. Doch wie dem auch sei, er kam wieder hoch – japsend und schnaubend, mit schreckensrunden Pupillen – und planschte im schwarzen, nach Erdöl riechenden Nass zwischen gezackten, sich brechenden Strahlen der

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