Meister und Margarita
gewöhnlichste Wunsch, anständig zu leben. Du willst mir doch offenbar sagen, Zander findet sich auch im Kolosseum? Ganz recht, aber im Kolosseum kostet eine Portion dreizehn Rubel und fünfzehn Kopeken und bei uns nur fünf Rubel fünfzig! Außerdem ist im Kolosseum der Zander vielleicht schon drei Tage alt! Und du hast keine Garantie, dass nicht irgend so ein hereinspazierter Jüngling von der Theater-Chaussee dir mit der rankenden Rebe eins in die Fresse klatscht. Nein, ich bin definitiv kein Freund des Kolosseums ! –, tönte über den gesamten Boulevard der Schlemmer Ambrosius. – Du wirst mich also nicht überreden, mein lieber Foka!
– Ich will dich auch gar nicht überreden, Ambrosius –, piepste Foka. – Man kann auch zu Hause essen.
– Na, herzlichen Dank –, posaunte Ambrosius, – ich stelle mir gerade vor, wie deine Frau im Topf der Gemeinschaftsküche versucht, portionierten Zander à la nature zu fabrizieren! Hi-hi-hi! … Au revoir, cher Foka! – Und trällernd begab sich Ambrosius zur Veranda unter das Zeltdach.
O-ho-ho … Ja, ja, es war einmal! … Noch heute erinnern sich die Einheimischen an das gute alte Gribojedow! Von wegen gekochter portionierter Zander! Ist nur Billigkram, verehrter Ambrosius! Warum denn nicht Sterlet im Silbergeschirr? InFilets geschnittener Sterlet, mit darübergelegten Krebshälsen und frischem Kaviar! Oder Eier Madame Cocotte, mit Champignonpüree, in Näpfchen? Oder das köstliche Drosselfilet! Wie, schon vergessen? Das mit den Trüffeln! Oder Wachteln Genueser Art? Für lächerliche neun fünfzig! Dazu noch höfliche Kellner und Jazz! Und im Juli – die ganze Familie auf der Datscha – Sie selbst von unaufschiebbaren literarischen Geschäften in der Stadt aufgehalten – und dann: die Veranda – im Schatten des kletternden Weinlaubs – im goldenen Fleck auf dem saubersten Tafeltuch – ein Teller Potage Printanière? Wissen Sie noch, Ambrosius? – Was soll ich groß fragen? Man sieht’s doch glatt Ihren Lippen an! Von wegen all die Schnäpel und Zander! Warum denn nicht Wald- und Doppel- und Moorschnepf samt Bekassinen der Saison? In der Kehle moussierendes Sprudelwasser?! Das reicht, das reicht! Bleib auf dem Teppich, Leser, und folge mir nach! …
An jenem Abend, da Berlioz am Patriarchenteich starb, war um halb elf oben im Gribojedow nur ein einziges Zimmer erhellt. Darin hockten zwölf Literaten, zur Besprechung versammelt, und erwarteten daselbst Michail Alexandrowitsch.
Alle, die jetzt in der Administration der Massolit saßen – ob auf Stühlen, Tischen oder sogar den zwei Fensterbrettern – litten massiv unter der Hitze. Von draußen wehte nicht eine einzige kühlende Brise herein. Was die Stadt Moskau während des Tages im Straßenasphalt an Glut aufgenommen hatte, gab sie jetzt wieder zurück. Und so stand es fest: Auch die Nacht verschafft keine Spur von Linderung. Aus dem Keller des Tantenhauses – sprich: aus der Küche des Restaurants – roch es nach Zwiebeln. Und jedermann wollte nur trinken und war nervös und verärgert.
Der Belletrist Beskudnikow, ein ruhiger, stilvoll gekleideter Herr mit wachsamem, doch ungreifbarem Blick, zog seine Uhr aus der Tasche. Der Zeiger näherte sich der Elf. Beskudnikow klopfte mit dem Finger gegen das Zifferblatt und hielt esseinem Nachbarn hin, dem Dichter Dwubratski (dieser saß auf der Tischkante und ließ vor lauter Langeweile die Füße mit den gelben gummierten Pantoffeln baumeln).
– So was aber auch –, murmelte Dwubratski.
– Der Bursch’ ist vermutlich beim Angeln an der Kljasma –, reagierte mit markiger Stimme Nastasja Lukinischna Nepremenowa, eine verwaiste Moskauer Kaufmannstochter, Autorin säbelrasselnder Seemannsgeschichten unter dem Namen »Steuermann Jim«.
– Mit Verlaub! –, parierte kühn der Verfasser beliebter Sketche Sagriwow. – Ich selbst hätte wahrlich nichts dagegen, jetzt auf dem Balkon etwas Tee zu schlürfen, statt hier zu schmoren. Die Besprechung war doch für zehn angesagt?
– Dabei ist es jetzt an der Kljasma so schön! –, stichelte Steuermann Jim die Anwesenden. Sie wusste zu gut: Perelygino, das Schriftstellerdorf an der Kljasma, war für alle ein wunder Punkt. – Da singen jetzt schon die Nachtigallen. Ich selbst kann ja besser im Grünen arbeiten, besonders im Frühling.
– Drei Jahre lang zahle ich brav Geld ein, um mein basedowkrankes Weib in diesen Garten Eden zu schicken. Doch wann teilt sich die Welle, wann naht sich die Ferne? –,
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