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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Grund, einen kerngesunden Mann gegen seinen Willen hier festzuhalten. Nun denn: Ich werde Sie gleich entlassen, sofern Sie mir sagen, dass Sie normal sind. Wohlgemerkt, nicht beweisen, sondern nur sagen. Also – sind Sie normal?
    Jetzt herrschte eine vollkommene Stille. Die rundliche Frau, die sich heute Morgen um den Dichter gekümmert hatte, sah den Professor anhimmelnd an. Während Iwan noch einmal dachte: »Ich muss gestehen, er ist sehr, sehr klug.«
    Das Angebot des Professors war ganz und gar nach Iwans Geschmack. Und doch ließ er sich die Antwort noch etliche Male durch den Kopf gehen. Er runzelte die Stirn und sagte schließlich mit fester Stimme:
    – Ich bin normal.
    – Na, fein –, rief Strawinski erleichtert, – dann lassen Sie uns die Sache noch einmal in Ruhe Revue passieren. Zum Beispiel Ihren gestrigen Tag –, er wandte sich um und bekam sofort Iwans Blatt ausgehändigt. – Auf der Suche nach einer fremden Person, welche sich Ihnen als ein Bekannter von Pontius Pilatus vorgestellt hatte, unternahmen Sie folgende Schritte –, da begann Strawinski mit seinen länglichen Fingern zu zählen, wobei er abwechselnd mal das Blatt, mal Iwan betrachtete. – Sie hängten sich die Ikone um. Richtig?
    – Richtig –, bestätigte Iwan trübe.
    – Sie fielen vom Zaun und rissen sich das Gesicht auf. Stimmt’s? Sie kamen ins Restaurant in Unterwäsche mit einer brennenden Kerze in der Hand, haben dort jemanden verprügelt. Sie wurden gefesselt und hergebracht. Von hier aus telefonierten Sie mit der Miliz und verlangten nach Maschinengewehren. Schließlich unternahmen Sie den Versuch, sich aus dem Fenster zu stürzen. Stimmt’s? Da fragt man sich doch: Ist es möglich, mit solchen Handlungen jemanden zu fangen oder zur Strecke zu bringen? Wären Sie nun geistig normal, dann wüssten Sie selbst: Auf gar keinen Fall. Sie wünschen zu gehen? Von mir aus gern. Aber dürfte ich erfahren, wohin?
    – Auf die Wache natürlich –, sagte Iwan mit etwas weniger fester Stimme und verunsichert von Strawinskis Blick.
    – Direkt von hier aus?
    – Klar doch.
    – Und nicht etwa erst zu sich nach Hause? –, fragte Strawinski schnell.
    – I wo! Dafür habe ich gar keine Zeit! Denn während ich groß nach Hause gehe, ist der längst über alle Berge!
    – Gut. Und was sagen Sie der Miliz?

    – Natürlich das von Pontius Pilatus –, Iwans Pupillen wurden von finsterem Schleier bedeckt.
    – Na, fein! –, rief der Professor Strawinski besiegt und befahl demjenigen mit dem Bärtchen: – Fjodor Wassiljewitsch, bitte entlassen Sie Herrn Besdomny zurück in die Stadt. Aber das Zimmer nicht neu belegen, und auch das Bett nicht neu beziehen. In ein paar Stunden wird Herr Besdomny wieder hier sein. Nun denn –, er wandte sich an den Dichter, – ich wünsche Ihnen keinen Erfolg, weil ich nämlich an diesen Erfolg nicht im Geringsten glaube. Also, bis bald! – Er richtete sich auf, und durch sein Gefolge ging eine Bewegung.
    – Und mit welcher Begründung werde ich wieder hier sein? –, fragte Iwan besorgt.
    Strawinski schien auf diese Frage gewartet zu haben, er setzte sich sofort hin und sprach:
    – Mit der Begründung, dass Sie – sobald Sie in bloßer Unterwäsche die Milizwache betreten und erzählen, Sie hätten einen Menschen gesehen, der Pontius Pilatus persönlich kennt – ohne Aufschub hierhergebracht werden. Und so landen Sie auf demselben Zimmer.
    – Ich versteh’ nicht: Jetzt wegen der Unterwäsche? –, verwirrt schaute Iwan sich um.
    – Vor allem wegen Pontius Pilatus. Die Unterwäsche kommt erschwerend hinzu. Die Krankenhauskleidung nehmen wir Ihnen doch ab, Sie erhalten dafür Ihren alten Aufputz wieder. (Und Sie wurden in Unterhose hier eingeliefert.) Nun, zu sich nach Hause wollen Sie doch partout nicht fahren! Dabei war meine Frage danach ein Wink mit dem Zaunpfahl. Schließlich wird Pontius Pilatus sein Übriges tun … und schon haben wir einen klaren Fall!
    Etwas Seltsames geschah mit Iwan Nikolajewitsch. Sein Wille war wie gebrochen. Er fühlte sich schwach und brauchte Rat.
    – Und was soll ich jetzt tun? –, erkundigte er sich, vollends eingeschüchtert.

    – Fein! Na, fein! –, sagte Strawinski. – Eine sehr vernünftige Frage. Zunächst einmal sollten Sie erfahren, was mit Ihnen passiert ist. Gestern, da hat Sie jemand erschreckt – mit seinen Berichten von Pontius Pilatus und ähnlichem Zeug. Und so gehen Sie, mit den Nerven am Ende, ein verstörter Mensch, durch die Stadt und

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