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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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geschworen, sich erkenntlich zu zeigen.
    Nachdem er bis kurz nach Mittag auf die Art schikaniert worden war, rettete sich Nikanor Iwanowitsch aus seiner Wohnung in die Verwaltungsräume an der Toreinfahrt. Doch dort saßen sie schon auf der Lauer, also machte er sich aus dem Staub. Mit Müh und Not gelang es ihm schließlich, alle Peiniger abzuschütteln (sie hatten ihn Schritt auf Tritt quer durch den asphaltierten Hof verfolgt). Er fand Zuflucht im Hauseingang 6 und stieg hoch in den fünften Stock – direkt zu der widerwärtigen Wohnung Numero 50.
    Der recht beleibte Nikanor Iwanowitsch verschnaufte kurz auf dem Treppenabsatz, schellte, doch niemand öffnete ihm. Er schellte wieder – und wieder – und wieder, brummte und schimpfte still vor sich hin. Und trotzdem öffnete keiner. Ihm platzte der Kragen. Er zog aus der Tasche ein Zweitschlüsselbund (Eigentum der Hausverwaltung), schloss mit herrischer Gebärde die Tür auf und trat hinein.
    – Hallo? Hausmädchen? –, rief er in den halbdunklen Flur. – Wie heißt du noch mal, Grunja oder so? Bist du da?
    Die Antwort blieb aus.
    Da entnahm Nikanor Iwanowitsch seinem Aktenkoffer einen Zollstock, entfernte das Siegel von der Bürotür und tat einen Schritt ins Zimmer. Nun ja, den Schritt, den tat er zwar, erstarrte jedoch erstaunt auf der Schwelle. Zuckte sogar zusammen.

    Hinter dem Schreibtisch des Verstorbenen saß ein fremder, dürrer und langer Kerl im karierten Jäckchen. Mit Reitercap, Zwicker … – der eine eben!
    – Darf ich mal fragen, wer Sie sind? –, wollte der erschrockene Nikanor Iwanowitsch gleich wissen.
    – Ja träume ich? Nikanor Iwanowitsch! Er selbst, wie er leibt und lebt! –, schrie mit hoher scheppernder Stimme das unerwartete Subjekt, sprang auf und grüßte den Vorsitzenden mit erzwungenem plötzlichem Händedruck. Die Begeisterung über diesen Gruß hielt sich beim Letzteren sehr in Grenzen.
    – Tut mir leid, darf ich fragen, wer Sie sind? –, wiederholte er mit bösem Verdacht. – Sind Sie überhaupt eine Amtsperson?
    – Ach, kommen S’, Nikanor Iwanowitsch! –, rief von Herzen der Unbekannte. – Was macht das schon aus: Eine Amtsperson, keine Amtsperson! Hängt doch alles vom Standpunkt ab, von dem aus Sie die Chose beschauen. Steht doch, mein lieber Nikanor Iwanowitsch, alles auf ziemlich wackligen Füßen. Heut’ bin ich keine Amtsperson und morgen – wups! –, und schon bin ich eine! Oder andersherum, weil auch das kommt vor, und wie das vorkommt!
    Dieser Exkurs hatte den Vorsitzenden der Hausverwaltung in keiner Weise zufriedengestellt. Als ein Mensch von der eher misstrauischen Sorte schloss er: Dies plappernde Wesen vor ihm ist eindeutig keine Amtsperson. Vielleicht sogar eine dahergelaufene.
    – Also darf ich jetzt erfahren, wer Sie sind? Name! –, fragte der Vorsitzende ungemütlich werdend und machte Anstalten, auf den Unbekannten loszumarschieren.
    – Mein Name ist –, erwiderte jener, ganz unbeirrt von all der Schroffheit, – nun, sagen wir mal Korowjew. Mögen S’ denn nicht eine Winzigkeit essen? Nur zu, Nikanor Iwanowitsch, bloß nicht so zimperlich!
    – Ach was! –, versetzte Nikanor Iwanowitsch, inzwischen mehr als verärgert. – Kommt nicht in Frage! – (Nun muss mitBedauern festgestellt werden, dass Nikanor Iwanowitsch seiner Natur nach einigermaßen grob war.) – Es ist nämlich absolut untersagt, sich auf der Wohnfläche des Verstorbenen aufzuhalten! Was haben Sie hier überhaupt verloren?
    – Ach, nehmen S’ doch erst einmal Platz, Nikanor Iwanowitsch –, krakeelte der Kerl, so gar nicht verlegen, wand sich wie ein Aal und bot dem Vorsitzenden beflissen den Sessel an.
    Endgültig außer sich gebracht, wies jener den Sessel zurück und brüllte:
    – Verflixt! Ich frage jetzt, wer Sie sind!
    – Bin, sofern Sie gestatten, als Dolmetsch tätig im Dienst einer ausländischen Person, welche in dieser selbigen Wohnung zu residieren die Güte hat –, empfahl sich der Korowjew Geheißene und klackerte mit dem Absatz seines fuchsroten ungeputzten Schuhs.
    Nikanor Iwanowitsch sperrte den Mund auf. Die Präsenz irgend so eines Ausländers (und dann noch mit einem Dolmetscher!) in der nämlichen Wohnung stellte für ihn den denkbar größten Irritationsfaktor dar. Er verlangte nach einer Erklärung.
    Nun, der Dolmetscher erklärte sich gern. Herr Woland, ein hergereister Artist, wurde vom Direktor des Varieté Stepan Bogdanowitsch Lichodejew freundlicherweise eingeladen, sich für die Dauer

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