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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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nicht schmerzte. Dann fiel ihm ein, dass er sich ja in der Klinik befand. Diesem Gedanken folgte sogleich die Erinnerung an Berlioz’ Tod. Doch heute löste sie bei Iwan keine Erschütterung aus. Er war ausgeschlafen, hatte sich beruhigt und begann, die Dinge klarer zu sehn. Ein wenig noch blieb er regungslos liegen auf diesem so überaus sauberen, weichen, bequemen Sprungfederbett. Da entdeckte er neben sich einen Knopf. Gewohnt, alles rings aus purem Reflex anzufassen, drückte er drauf. Es erklang kein Ton, es gab keine Erscheinung, es kam ganz anders.
    Am Fußende von Iwans Bett erstrahlte eine matte Säule mit der Aufschrift »Trinken«. Ein paar Sekunden lang hielt sie still, setzte sich dann aber in Bewegung und rotierte, bis das Wort »Pflegerin« aus ihr hervorschoss. Natürlich übte das ausgeklügelte Utensil auf Iwan reichlich Faszination aus. »Pflegerin« wurde von »Arzt« abgelöst.
    – Hmm … –, sagte Iwan, unschlüssig darüber, was mit der Lichtsäule zu tun sei. Ein glücklicher Zufall half ihm weiter:Iwan betätigte den Knopf zum zweiten Mal – beim Wort »Assistenz«. Das Gerät gab ein kurzes Klingeln von sich, blieb stehen, erlosch, und ins Zimmer trat eine korpulente sympathische Frau im strahlend weißen Kittel und sprach:
    – Einen wunderschönen guten Morgen!
    Iwan würdigte den Gruß keiner Antwort: Unter den gegebenen Umständen empfand er ihn als eine Zumutung. Also wirklich, erst stecken sie einen gesunden Menschen in die Klinik, und tun dann so, als wär’s in Ordnung!
    Die Frau indes behielt ihren freundlichen Ausdruck bei. Mit einem einzigen Knopfdruck ließ sie die Gardine hochsausen, und ins Zimmer floss durchs dünne, bis an den Boden reichende Gitter mit breiten Maschen Sonne herein. Im Fenster zeigte sich ein Balkon, dahinter das Ufer eines mäandernden Flusses, dessen andere Seite von einem heiteren Fichtenwäldchen bewachsen war.
    – So, und jetzt ein herrliches Bad! –, lud die Frau ein, und unter ihren Händen fuhr die Innenwand auseinander und legte den Waschraum mit einem nagelneuen Klosett frei. Zwar hatte Iwan sich vorgenommen, mit der Frau kein Wort zu reden. Doch als er sah, wie das Wasser in einem breiten Strahl in die Wanne strömte, bemerkte er, nicht ohne Sarkasmus:
    – Sieh an, sieh an! Wie im Metropol!
    – Oh nein –, sagte die Frau voll Stolz, – viel besser. Solche Technik gibt es nirgends, selbst im Westen nicht. Wissenschaftler und Ärzte kommen extra hierher, um unsere Klinik zu bewundern. Wir empfangen täglich ausländische Gäste.
    Ausländische Gäste. Iwan erinnerte sich sofort an den gestrigen Sachverständigen. Vernebelt, mit gerunzelter Stirn versetzte er:
    – Ausländische Gäste … Die mögt ihr ja alle heiß und innig! Dabei weiß man nie, wen man vor sich hat … Gestern, zum Beispiel, da hab’ ich einen kennengelernt, muss schon sagen: Ein prächtiges Früchtchen!

    Beinahe hätte er auch von Pontius Pilatus erzählt, hielt sich aber zurück. Denn was soll die Frau mit all den Berichten und wie kann sie ihm weiterhelfen?
    Dem frisch gewaschenen Iwan Nikolajewitsch wurde so ziemlich alles ausgehändigt, was der Mann nach dem Bad so braucht: ein gebügeltes Hemd, Unterwäsche und Socken. Mehr noch: Die Frau öffnete den Schrank, zeigte hinein und fragte:
    – Was wünschen der Herr anzuziehen? Einen Hausmantel? Ein feines Pyjamalein?
    Als jemand, der gewaltsam mit seiner neuen Umgebung konfrontiert worden war, schlug Iwan fast die Hände zusammen, derart familiär erschien ihm die Frau. Stattdessen wies er stumm mit dem Finger auf den Pyjama aus rotem Fries.
    Dann wurde Iwan Nikolajewitsch durch einen leeren und lautlosen Korridor zum riesigen Untersuchungssaal geführt. Da er inzwischen beschlossen hatte, alles, was er in diesem abenteuerlich konstruierten Gebäude zu sehen bekam, ironisch zu nehmen, taufte er den Raum in Gedanken prompt auf den Namen »Automatenküche«.
    Und aus gutem Grund. Hier standen Schränke und gläserne Boxen mit glänzend vernickelten Instrumenten. Sessel von unglaublich komplexer Machart, bauchige Lampen mit leuchtenden Schirmen, zahllose Döschen, Bunsenbrenner, Kabelanlagen sowie Geräte von gänzlich unbekannter Funktion.
    Im Untersuchungssaal nahmen sich gleich drei Personen Iwans an: zwei Frauen und ein Mann, alle in Weiß. Als Erstes setzten sie ihn an einen Tisch in der Ecke mit dem klaren Ziel, irgendetwas auszuhorchen.
    Iwan überflog die Lage. Drei Wege standen ihm frei. Der erste war

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