Meister und Margarita
er ist draußen, vor der Stadt!
– Wenn das so ist –, meinte der Finanzdirektor, blass vor Wut, – dann ist das wirklich eine Sauerei sondergleichen!
Nun aber hüpfte der Administrator und brüllte, dass Rimski erbebte:
– Ich hab’s! Ich hab’s! In Puschkino gibt’s seit Neuestem Jalta, eine Imbissbude! Jetzt geht mir ein Licht auf! Er fährt dorthin, lässt sich volllaufen und verschickt Telegramme!
– Also, das ist ja wohl der Gipfel! –, erwiderte Rimski mit zuckender Wange, und in seinen Augen glühte echter, tonnenschwerer Zorn. – So oder so, für die kleine Spazierfahrt wird er teuer bezahlen müssen! … – Dann aber unterbrach er sich kurz und fügte unschlüssig hinzu: – Moment mal, und die Miliz? …
– Faule Tricks! Seine eigenen dummen Spielchen –, fiel ihm der emotional erregte Varieté – Administrator ins Wort und fragte: – Was ist denn jetzt mit dem Umschlag? Soll ich ihn trotzdem überbringen?
– Auf jeden Fall –, antwortete Rimski.
Und wieder öffnete sich die Tür, und wieder kam dieselbe herein … »Ach, sie!«, dachte Rimski, voll seltsamer Wehmut. Und beide erhoben sich vor der Briefträgerin.
Diesmal enthielt das Telegramm folgende Worte: »danke bestätigung dringend fünfhundert fliege morgen moskau lichodejew«.
– Ist er noch zu retten? … –, seufzte Warenucha.
Doch Rimski ließ sein Schlüsselbund klirren. Entnahm dem feuersicheren Panzerschrank ein Bündel Scheine. Zählte fünfhundert Rubel ab. Rief an. Gab dem Hausboten das Geld. Und schickte ihn zum Telegraphenamt.
– Nichts für ungut, Grigorij Danilowitsch –, nuschelte Warenucha, ganz stutzig geworden, – aber ich glaube, es ist ein Fehler, ihm Geld zu senden.
– Das Geld kommt sowieso zurück –, sagte Rimski leise. – Er aber wird für das kleine Picknick den Kopf hinhalten. – Und bemerkte, mit Blick auf den Aktenkoffer: – Und nun fahr schon, Iwan Saweljewitsch, nun mach schon hin.
Und Warenucha mitsamt dem Aktenkoffer rannte aus dem Büro. Er stieg hinab, in den unteren Stock. Fand eine riesengroße Schlange direkt vor der Kasse. Erfuhr von der Kartenverkäuferin, in einer Stunde ist kein Sitz mehr frei. Die Leute strömen nämlich in Scharen, seit sie das Extraplakat gesehen haben. Befahl ihr, dreißig beste Plätze zu reservieren und nicht zu verkaufen. In den Logen und im Parkett. Sprintete aus der Kasse heraus, sich den Weg durch die Schnorrer bahnend. Kam dann schließlich auf ein Sprünglein in sein Büro, die Mütze zu holen. In diesem Moment knarrte das Telefon.
– Ja! –, schrie Warenucha.
– Iwan Saweljewitsch? –, erkundigte sich der Hörer mit dem widerwärtigsten Näseln.
– Ist nicht im Haus! –, versuchte Warenucha noch eben zu rufen, allein der Hörer fiel ihm ins Wort:
– Jetzt nur keine Mätzchen, Iwan Saweljewitsch! Ich sag’s nicht gern zweimal: Diese Telegramme, die bringen Sie nirgendwo hin und zeigen sie niemandem.
– Wer spricht da? –, brüllte Warenucha. – Das sollen Sie noch bitter bereuen! Man wird Sie sofort zurückverfolgen! Wie ist Ihre Nummer?
– Sag mal, Warenucha –, versetzte dieselbe eklige Stimme,– verstehst du kein Russisch? Die Telegramme. Nirgendwo hinbringen.
– Ach so, Sie wollen nicht aufhören? –, schrie der Administrator in wachsender Wut. – Nun, ich hab’ Sie gewarnt! Es wird Ihnen leidtun! – Er stieß noch weitere Drohungen aus, verstummte jedoch: In der Leitung hörte längst keiner mehr zu.
In seinem lieben kleinen Büro wurde es plötzlich sehr schnell düster. Warenucha lief raus, ließ die Tür knallen und schlüpfte durch einen Seitengang in den Sommergarten.
Er war voll Erregung und Energie. Der dreiste Anruf hatte klargemacht: Eine Bande von bösen Buben treibt dumme Spielchen, und diese Spielchen hängen mit dem Verschwinden von Lichodejew zusammen. Der Wunsch, die Kerle bluten zu lassen, brannte ihm förmlich unter den Nägeln und mischte sich, wie seltsam es auch klingen mag, mit einer Art Vorfreude. Man kennt das von Menschen, die gerne im Mittelpunkt stehen oder irgendeine sensationelle Nachricht überbringen möchten.
Im Garten wehte den Administrator der Wind an, verklebte die Augen mit Sand, als wollte er ihm den Weg versperren, als wollte er ihn zur Vorsicht mahnen. Ein Fensterrahmen im ersten Stock klapperte derart, dass die Scheibe beinahe herausgesprungen wäre. Auch alle Ahorn- und Lindenwipfel raschelten unheilverkündend. Es wurde dunkler, es wurde frischer. Der
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