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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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überaus süß und erfrischend.
    Das Haus der Trübsal fiel in Schlaf. In den stummen Korridoren erloschen allmählich die weißen und matten Leuchter. Stattdessen gingen ordnungsgemäß die schwachen blauen Nachtlämpchen an. Immer seltener wurden auf Gummiläufern hinter den Türen die leisen Schritte behutsamer Arztgehilfinnen hörbar.
    Nun lag Iwan in sanfter Erschlaffung, sah mal die Glühbirne, die von oben gedämpftes Licht ins Zimmer streute, mal den Mond, der hinter dem schwarzen Wald aufstieg, und redete mit sich selbst.
    – Wieso hat es mich eigentlich so berührt, dass Berlioz unter die Tram geriet? –, überlegte der Dichter. – Im Endeffekt kann es mir doch wirklich egal sein! Wer bin ich denn schon: Sein Vetter? Sein Schwager? Und wenn man die Frage mal recht ventiliert, dann stellt sich heraus, dass ich den Toten im Grunde gar nicht besonders gut kannte. Hand aufs Herz: Was weiß ich von ihm? Nur, dass er eine Glatze trägt und wie der Weltmeister reden kann. Ja, meine Herren –, wandte er sich an seine imaginäre Zuhörerschaft, – es bleibt noch zu klären: Was ritt mich bloß, dass ich wegen diesem geheimnisvollen Sachverständigen derart die Fassung verloren habe? Wegen diesem Magier, diesem Professor mit dem leeren und schwarzen Auge … Und dann die absurde Rennerei – in Unterhose – mit einer Kerze! Wozu war die nun auf einmal nötig? Und dann der Zirkus im Restaurant?
    – Papperlapapp! –, fiel streng von irgendwo her – ob von innen – ob dicht über dem Ohr – der alte Iwan dem neuen ins Wort. – Dass Berlioz seinen Schädel loswird, hat er doch schon im Voraus gewusst? Etwa nicht? Wie soll man da ruhig bleiben?
    – Worüber reden wir, meine Herren! –, sprach der neue Iwan zum einstigen, alten. – Dass die Sache faul ist, sieht jedes Kind. Er ist schon ein seltsames Original, er ist ein Rätsel, hundert Pro. Das aber ist doch der springende Punkt: Ein Mensch, der Pilatus persönlich kannte! Was will man mehr? Anstatt all diesen albernen Mumpitz am Patriarchenteich vom Zaun zu brechen, wäre es viel klüger gewesen, ihn ganz höflich danach zu fragen, wie die Geschichte mit Pontius Pilatus und diesem Häftling, diesem Jeschua Ha-Nozri, am Ende ausgeht. Stattdessen stelle ich weiß der Geier was an! Ist ja auch wirklich weltbewegend: Der Redakteur einer Zeitschrift! Überfahren! Höret, höret! – Ja, und weiter? Wird deshalb die Zeitschrift eingestellt? – Schicksal! – Menschen sind nun mal sterblich, und zwar – wie vollkommen richtig bemerkt – von jetzt auf gleich. – Gott hab ihn selig! Bald findet sich ein neuer Redakteur, der ist vielleicht noch redegewandter.
    Nach kurzem Nickerchen richtete schließlich der neue Iwan an den alten Iwan die verfängliche Frage:
    – Was bin ich dann also?

    – Ein Trottel! –, sagte von irgendwo her deutlich vernehmbar ein tiefer Bass, der keinem der beiden Iwans gehörte und jenem des Sachverständigen glich.
    Warum auch immer, fühlte sich Iwan von dem Wort »Trottel« gar nicht gekränkt, war vielmehr sogar angenehm überrascht. Er schmunzelte und verstummte im Halbschlaf. Der Traum beschlich ihn: Eine Palme mit Elefantenfuß. Der Kater im Vorbeihusch. Kein bisschen gruselig. Im Gegenteil – lustig. Gleich hüllt der Traum Iwan ganz ein. Da rollte das Gitter lautlos zur Seite, und am Balkon, das Mondlicht meidend, erschien eine nebelhafte Gestalt mit erhobenem Zeigefinger.
    Überhaupt nicht erschrocken, robbte Iwan auf dem Bett hoch und sah, dass sich dort am Balkon ein Mann befand, und dieser Mann führte den Finger an den Mund und flüsterte:
    – Tsst!

Kapitel 12
Schwarze Magie nebst ihrer Enthüllung
    Ein Männlein. Löchriger gelber Hut. Birnenförmige rote Nase. Karierte Hose, gelackte Schuh. Mit einem ganz gewöhnlichen Zweirad glitt es über die Bühne des Varieté, drehte zum Foxtrott eine Runde und stieß einen schrillen Siegesschrei aus, wovon sich sein Fahrzeug steil aufbäumte. Das Kerlchen fuhr eine kurze Weile auf dem Hinterrad, streckte die Beine hoch, schaffte es, mitten in der Fahrt, das Vorderrad abzumontieren und in den Kulissen verschwinden zu lassen. Dann setzte es die Reise mit einem Rad fort, wobei seine Hände die Pedale bewegten.
    Auf einem langen metallenen Mast (oben ein Sattel, unten ein Rad) sauste hervor eine dicke Blondine im Trikot und sternenbestreuten Röckchen. Sie beschrieb einen großen Kreis nach dem anderen. Wenn das Männlein an ihr vorüberflog, gab es grüßende Laute von sich

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