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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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und lüftete mit dem Fuß den Hut.
    Endlich rollte ein Bubi von circa acht Jahren (er hatte ein Greisengesicht) auf einem winzigen Kinderfahrrad herein, an das eine riesige Autohupe angeschraubt war, und hastete zwischen den Erwachsenen umher.
    Das Grüppchen vollführte einige Schleifen und flitzte, begleitet vom nervenaufreibenden Trommelwirbel aus dem Orchester, ganz dicht an den Rand der Bühne heran. Und die Zuschauer in den ersten Reihen kreischten auf, wichen zurück. Denn alle glaubten, gleich purzelt das Dreigespann mitsamt den Vehikeln in den Musikergraben.
    Aber die Fahrzeuge blieben stehen. Und zwar genau in jener Sekunde, als die Vorderräder um ein Haar in den Abgrundgebrettert wären – über die Köpfe der Kapelle. Die Fahrer riefen gemeinsam »Hopp!«, sprangen von ihren Stahlrossen ab und verbeugten sich, wobei die Blondine dem Publikum innige Luftküsse sandte und der Bubi mit seiner Autohupe lustige Signale trötete.
    Vom lauten Applaus erdröhnte das Haus. Die azurnen Vorhänge schoben sich vor – von beiden Seiten – und verdeckten die Künstler. Die grünen Lichter mit der Aufschrift »Ausgang« erloschen an den Türen. Und oben – im Spinnweb der Trapeze – unter der Kuppel – leuchteten auf – wie eine Sonne – grellweiße Kugeln: Die Pause vor dem letzten Teil.
    Der einzige Mensch, den die fahrradtechnischen Wundertaten der Giulli-Familie vollkommen kalt gelassen haben, war Grigorij Danilowitsch Rimski. Er saß mutterseelenallein im Büro, biss sich die dünnen Lippen wund, und sein Gesicht wurde immer wieder von heftigen Krämpfen verzerrt. Dem erstaunlichen Verschwinden Lichodejews folgte das ganz und gar unvorhersehbare Verschwinden des Administrators Warenucha.
    Rimski wusste sehr wohl, wohin der gegangen war. Und nun war er gegangen und … blieb auch fort! Rimski zuckte die Achseln und raunte sich zu:
    – Wofür denn bloß?!
    Das Seltsamste war: Ein so überaus wichtiger Mann, wie der Finanzdirektor, hätte ganz leicht dort anrufen können, wohin Warenucha gegangen war, um zu fragen, wo jener stecke. Dennoch konnte er sich bis zehn Uhr abends einfach nicht dazu durchringen.
    Mit einer entsetzlichen Kraftanstrengung gelang es ihm schließlich gegen zehn Uhr, den Hörer zu heben. Da stellte er fest: Telefonleitung tot. Ein Bote erklärte ihm, andere Geräte wären ebenfalls außer Betrieb. Diese, gewiss etwas unangenehme, aber auf keinen Fall übernatürliche Sache erschütterte den Finanzdirektor nun vollends. Und trotzdem freute er sich: Die Notwendigkeit anzurufen entfiel.

    Gerade als über Rimskis Kopf das rote Lämpchen, das die Pause ankündigte, anging und blinkte, erschien ein Bote und teilte ihm mit, der Artist aus dem Ausland sei jetzt eingetroffen. Der Finanzdirektor zuckte grundlos zusammen und wurde stockfinster. Dennoch begab er sich hinter die Bühne, um den Gast willkommen zu heißen. Einer musste es schließlich tun.
    Aus dem Korridor, wo bereits die Signale zur Vorbereitung ertönten, gafften unter jedem möglichen Vorwand Neugierige in die große Künstlergarderobe hinein. Gaukler mit Turban und glitzernden Kaftans, ein Rollschuhläufer in weißer Strickjacke, ein puderblasser Conférencier und ein Maskenbildner.
    Der weitgereiste berühmte Mann überraschte alle mit seinem Frack (unvorstellbar lang, von phantastischem Schnitt) und weil er in einer dunklen Halbmaske gekommen war. Doch für das größte Aufsehen sorgten die beiden Begleiter der Magnifizenz: ein langer Karierter mit gesprungenem Zwicker sowie ein fetter schwarzer Kater, der den Ankleideraum auf den Hinterpfoten betreten und lässig das Sofa besetzt hatte, wo er nun in die nackten Schminklampen blickte und dabei die Augen zusammenkniff.
    Rimski rang sich ein Lächeln ab, wovon sein Gesicht nur umso griesgrämiger und missmutiger wirkte. Mit leisem Kopfnicken grüßte er den stummen Magier, der neben dem Kater auf dem Sofa saß. Hände wurden indes nicht geschüttelt. Dafür stellte sich der hemmungslose Karierte selbst als »dero Gehilfe« vor. Eine Tatsache, die den Finanzdirektor verwunderte, und zwar wieder einmal unangenehm: Im Kontrakt war irgend so ein Gehilfe mit keinem Sterbenswörtlein erwähnt.
    Recht erzwungen und reserviert erkundigte sich Grigorij Danilowitsch beim Karierten (zu dem er gekommen war wie die Jungfrau zum Kind), wo die Apparate des Künstlers denn seien.
    – Unser teuerstes Herzblatt! Unser hochgeschätzter Herr Direktor! –, rief mit scheppernder Stimme der

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