Meister und Margarita
Magiergehilfe. – Die Apparate führen wir stets bei uns. Und da sind sie! Eng! Dö! Trua! – Seine knorrigen Finger schwirrten vor Rimskis Augen, griffen im Nu hinter das Ohr des Katers und hielten Rimskis goldene Taschenuhr hoch. (Diese hatte sich bis vor Kurzem an einem durchs Knopfloch gezogenen Kettchen in des Finanzdirektors Weste unter dem zugeknöpften Jackett befunden).
Rimski fasste sich unwillkürlich an den Bauch, die Anwesenden stutzten, und der Maskenbildner, welcher gerade zur Tür hereinsah, krächzte beeindruckt.
– Ja hallo! Wem gehört denn das gute Stück? Da haben’s und passen S’ auf! Nicht, dass es wegkommt! –, sprach der Karierte, unverschämt grinsend, und streckte dem reichlich verwirrten Rimski seine schmutzige Hand entgegen, in welcher dessen Eigentum lag.
– Mit dem würd’ ich besser nicht Omnibus fahren! –, sagte leise und heiter der Conférencier zum Maskenbildner.
Doch nun brachte der Kater etwas fertig, das den Uhrenzauber verpuffen ließ. Er hob sich vom Sofa. Marschierte auf den Hinterpfoten zum Schminktisch hin. Zog mit der Vordertatze den Stöpsel aus der Karaffe. Schenkte sich ein Glas Wasser ein. Leerte es aus. Steckte den Stöpsel wieder zurück. Und wischte sich mit einem Kosmetikläppchen den Schnurrbart.
Was jetzt folgte, das war kein Stutzen mehr, sondern ein einziges dickes Staunen. Und der Maskenbildner flüsterte:
– Hut ab!
Da ertönte mit Nachdruck die dritte Glocke, und im Eifer und Vorgeschmack einer packenden Nummer strömte alles aus der Garderobe.
Eine Minute später erloschen im Saal die Kugeln. Es erstrahlte die Rampe und warf einen rötlichen Schein auf den unteren Teil des Vorhangs. Und im beleuchteten Spalt erschien vor dem Publikum ein feister Mann: Glücklich wie ein Kind. Das Gesicht rasiert. Der Frack zerknittert. Die Wäsche unfrisch. Hierbei handelte es sich um den in ganz Moskau bekannten Ansager Pierre Bengalski.
– Und nun, liebe Mitbürger –, sprach Bengalski mit einem Babylächeln, – erleben Sie … – Da unterbrach er sich mitten im Wort und redete in ganz anderem Ton: – Wie ich sehe, hat sich das Publikum zum dritten Teil hin noch einmal vergrößert. Die halbe Stadt ist heute bei uns! Mein’ ich doch neulich zu einem Kumpel: »Wieso schaust du nicht auch mal bei uns vorbei? Die halbe Stadt war gestern bei uns.« Sagt er: »Ich wohn’ in der anderen Hälfte!« – Hier baute Bengalski eine Pause ein und erwartete schallendes Gelächter. Aber kein Mensch verzog den Mund, also setzte er fort: – … Und jetzt freuen wir uns auf den hochberühmten ausländischen Künstler Monsieur Woland mit einer Séance der Schwarzen Magie! Als Aufgeklärte wissen wir ja –, er schmunzelte überlegen, – was von all dem zu halten ist: Nämlich nichts! Es ist bloß ein Aberglaube. Doch beherrscht Monsieur Woland im höchsten Grad die Technik der Manipulation, wie wir im interessantesten Teil noch sehen werden: der kompletten Enthüllung dieser Technik nämlich. Nun sind wir ja alle ohne Ausnahme die größten Befürworter von Technik. Aber natürlich auch ihrer Enthüllung. Und darum: Applaus für Monsieur Woland!
Nachdem Bengalski den ganzen Quark von sich gegeben hatte, legte er beide Hände zusammen und schwenkte sie grüßend durch den Spalt der Kulisse, weshalb jene geräuschlos auseinanderfuhr.
Die Erscheinung des Magiers, sein langer Gehilfe und der auf den Hinterpfoten stolzierende Kater imponierten dem Publikum sehr.
– Einen Sessel –, befahl Woland mit gedämpfter Stimme. Und da stand auch gleich – weiß Gott woher – auf der Bühne ein Sessel, in welchem der Magier Platz nahm. – Sag mir doch bitte, mein lieber Fagot –, wandte er sich an den karierten Hampelmann, der offenbar noch einen anderen Namen außer »Korowjew« trug, – wie siehst du es: Hat sich die Moskauer Bevölkerung in auffälliger Weise gewandelt?
Der Magier blickte ins verstummte Publikum, das immernoch über jenen Sessel, der aus dem Nichts aufgetaucht war, staunte.
– Jawohl, Messire –, erwiderte leise Fagot alias Korowjew.
– Du hast recht. Die Bevölkerung hat sich gewandelt. Allein schon äußerlich, finde ich. Nun ja, wie auch diese … ganze … Stadt. Ich rede nicht einmal von der Art, sich zu kleiden. Aber da sind jetzt überall lauter … – wie heißen sie … – Automobile, Trams …
– Omnibusse –, half respektvoll Fagot.
Der Saal lauschte mit gesammelter Aufmerksamkeit, im Glauben, das gehöre zu den Tricks,
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