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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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konnte nur noch bei Licht einschlafen.
    Meine Geliebte hatte sich sehr verändert. (Vom Kraken sagte ich ihr kein Wort, doch sie merkte, dass etwas mit mir nicht stimmte.) Sie wurde blasser, hagerer. Lachte kaum. Bat mich immer nur um Vergebung für ihr Drängen zur Publikation. Sie sagte: »Lass alles stehen und liegen! Fahre ans Schwarze Meer und gib für die Reise den Rest des Geldes aus, das von den hunderttausend noch blieb.«
    Sie war hartnäckig. Und um Streit zu vermeiden (irgendwas gab mir zu verstehn, dass die Reise ans Schwarze Meer nicht stattfinden würde), versprach ich ihr, es schon bald zu tun. Dawollte sie selbst das Ticket buchen! Ich nahm all mein Geld – an die zehntausend Rubel – und gab es ihr.
    »Und warum so viel?«, fragte sie verblüfft.
    Ich sagte ihr etwas in der Art, dass ich Angst vor Dieben und Einbrechern hätte. Sie sollte es bis zu meiner Fahrt für mich aufbewahren. Da nahm sie das Geld. Legte es ins Täschchen. Küsste mich. Sagte mir: »Es ist leichter zu sterben, als dich in solch einem Zustand allein zu lassen.« Doch sie werde erwartet und beuge sich der Notwendigkeit. Aber am nächsten Morgen käme sie wieder. Sie flehte mich an, nichts zu fürchten.
    Es geschah in der Dämmerung. Mitte Oktober. Sie ging. Ich legte mich auf die Couch. Schlief ein, ohne das Licht anzumachen. Ich wachte auf, denn der Krake war da. Nur mit äußerster Mühe gelang es mir, im Dunkeln den Schalter zu ertasten. Laut Taschenuhr war es zwei. Ich hatte mich als Kränkelnder hingelegt und erwachte als vollends Kranker. Gleich wird die herbstliche Finsternis die Fenster zerdrücken, ins Zimmer strömen, und ich ertrinke darin wie in tiefschwarzer Tinte. Ich erhob mich – ein Mensch, ohne Selbstbeherrschung. Ich schrei’ auf. Gleich renn’ ich zu jemandem hin. Egal zu wem. Und sei es mein Bauherr oben im Haus. Ich kämpfte mit mir wie ein Übergeschnappter. Ich schafft’ es noch eben, zum Ofen zu kriechen und ihn anzuheizen. Als die Holzscheite knackten und die Ofentür klirrte, fühlt’ ich mich wohler. Ich stürzte zur Diele. Machte mir Licht. Fand eine Flasche Weißwein. Entkorkte sie. Und trank den Inhalt direkt aus dem Hals. Das stumpfte die Angst ein wenig ab. Jedenfalls rannte ich nicht zum Bauherrn. Sondern kehrte zum Ofen zurück. Ich öffnete das Türchen, sodass die Glut mir Gesicht und Hände versengte. Und flüsterte:
    »Nun merke doch, wie mir geschieht … Bitte, komm! Bitte, komm! Bitte, komm! …«
    Aber es kam niemand. Im Ofen dröhnte das Feuer. Gegen die Fenster peitschte der Regen. Und da war’s zu Ende: Ich entnahm dem Pult die wuchtigen Hefte mit meinem Roman – samt allen Skizzen – und machte mich dran, sie zu verbrennen. Das ist sehr schwierig, denn beschriebenes Papier verbrennt nicht gern. Mir die Nägel brechend, zerriss ich die Blätter. Platzierte sie aufrecht zwischen den Scheiten und half kräftig mit dem Schürhaken nach. Manchmal erwies sich die Asche als stärker und erstickte die Flamme. Doch ich kämpfte mit ihr. Und der Roman gab langsam seinen harten Widerstand auf und starb dahin. Vertraute Wörter erstrahlten vor mir. Das Gelb stieg beharrlich die Seiten hoch, doch die Wörter schienen selbst da noch hindurch. Sie verschwanden erst, als das Papier schwarz wurde und ich ihnen mit dem Schürhaken wütend den Rest gab.
    Plötzlich kratzte etwas verhalten am Fenster. Mein Herz hüpfte. Ich schob den letzten Stapel ins Feuer und stürzte – über die Backsteintreppe, die aus dem Keller hinauf in den Hof führte – zum Ausgang. Stolpernd erreichte ich ihn und fragte leise:
    »Wer ist da?«
    Und eine Stimme – ihre Stimme – sagte:
    »Ich bin’s …«
    Ich weiß nicht mehr, wie ich mit Schloss und Kette fertig wurde. Kaum trat sie ein, drückte sie sich an mich, zitternd, triefend, mit nassen Wangen, zerzaustem Haar. Ich konnte nur ein einziges Wort stammeln:
    »Du … du? …«, dann hielt ich inne, und wir eilten hinunter. In der Diele befreite sie sich aus dem Mantel, und wir gingen schnell in das erste Zimmer. Sie schrie leise auf, warf mit bloßen Händen aus dem Ofen den Rest, welcher dort noch blieb, auf den Boden – einen Stapel, der von unten her brannte. Der Raum war sogleich mit Rauch gefüllt. Ich trat das Feuer aus, sie sank auf die Couch und schluchzte unaufhaltsam und krampfhaft.
    Als sie wieder ruhig war, sagte ich ihr:
    »Ich fing an, diesen Roman zu hassen. Und ich fürchte mich. Ich bin krank. Ich hab’ Angst.«
    Sie kam näher und

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