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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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noch irgendetwas Skandalöses und Flegelhaftes geschehen war. Und dass dies, wie gern man es auch von sich schieben mochte, direkt mit der ekelhaften Séance des Schwarzen Magiers und seiner Gehilfen zusammenhing. Nun, der feinfühlige Finanzdirektor hatte recht.
    Er schaute durchs Fenster hinaus auf die Gartenstraße und schon verzerrte sich sein Gesicht. Ihm entfuhr kein Flüstern, vielmehr ein Zischen:
    – Wusst’ ich’s doch!
    Im allergrellsten Licht der Laternen erblickte er auf dem Gehsteig unten eine Dame in Hemd und Höschen von violetter Farbe. Freilich trug sie auf dem Kopf einen Hut, in der Hand einen Schirm.
    Um die Dame herum (sie war im Zustand äußerster Konfusion: mal sich duckend, mal drauf und dran, plötzlich loszurennen) tobte die Menge und gab jenes Grölen von sich, das den Finanzdirektor kalt schaudern ließ. Neben der Dame zappelte ein Mann. Riss sich den Sommermantel vom Leibe. Wurde vor all der Aufregung mit dem Ärmel nicht fertig: Die Hand steckte fest.
    Schreie und schallendes Gelächter kamen auch von woanders her – nämlich vom linken Seiteneingang. Grigorij Danilowitsch schaute dorthin: Eine zweite Dame im rosa Leibchen! Die hüpfte von der Straße auf den Gehsteig, hoffend, im Haus Zuflucht zu finden. Aber das ausströmende Publikum versperrte ihr den Weg. Und das arme Opfer des eigenen Leichtsinns und der Modeversessenheit, von der Firma des verflixten Fagot so arg hintergangen, wünschte nur eins: Auf der Stelle in Grund und Boden versinken! Ein Milizmann eilte zu der Unglückseligen. Und fröhlich folgten ihm irgendwelche jungen Leute in Schiebermützen. Sie waren es, die da lachten und feixten.
    Ein hagerer Kutscher mit Schnauzer sauste sofort zu der ersten Entblößten hin. Ließ den rippendürren kraftlosen Gaul jählings halten. Das Gesicht des Bärtigen grinste vergnügt.
    Rimski schlug sich mit der Faust gegen die Stirn, spuckte aus und sprang weg vom Fenster.
    Eine Weile blieb er am Schreibtisch sitzen. Lauschte dem, was draußen geschah. Das Gepfiff stieg vielerorts drastisch an, ebbte dann aber wieder ab. Zu Rimskis Verblüffung wurde dem Skandal überraschend schnell ein Ende gemacht.
    Zeit zu handeln. Den ach so bitteren Kelch der Verantwortung trinken. Die Telefone waren seit dem dritten Programmteil wieder in Betrieb. Also nichts wie anrufen. Die Sache melden. Hilfe anfordern. Eins vom Pferd erzählen. Alles auf Lichodejew schieben. Sich schadlos halten. Na ja, und so weiter. Pfui Deibel!
    Schon zum zweiten Mal legte der verstimmte Direktor seine Hand auf den Hörer. Schon zum zweiten Mal zog er sie wiederweg. Doch in der Grabesstille des Büros brach das Gerät selbst in Schrillen aus. Mitten ins Gesicht! Rimski zuckte zusammen und erschauderte kalt. »Ich verliere ja ganz schön die Nerven«, dachte er und hob den Hörer, doch wich zurück, wurde kreidebleich. Daraus flüsterte leise eine schmachtende, durch und durch verderbte weibliche Stimme:
    – Lass gut sein, Rimski. Ist besser für dich …
    Und war gleich wieder weg. Mit eisigem Schaudern legte er auf, wandte den Kopf spontan zum Fenster hinter dem Rücken. Über das spärliche, noch von wenig Grün bewachsene Ahorngeäst lief der Mond, geisterhaft von Wolken verschleiert. Ohne Grund blieb der Blick an den Zweigen hängen. Und je länger, desto mehr wurde Rimski von Furcht ergriffen.
    Mit einem Willensruck wich er zurück vom mondenen Fenster und erhob sich. Jetzt noch anzurufen, stand nicht zur Debatte. Der Finanzdirektor dachte nur eins: Möglichst rasch von hier verschwinden.
    Er horchte – das Theatergebäude schwieg. Da wurde ihm klar: Er ist schon seit Langem völlig allein auf der ganzen Etage. Und eine kindische, unüberwindliche Angst beschlich ihn bei dieser Vorstellung. Er konnte nicht ohne Bangen dran denken, wie er gleich durch die leeren Gänge wandeln und die Treppe hinabsteigen würde. Fieberhaft packte er die herbeihypnotisierten Zehnrubelscheine, steckte sie in seine Aktentasche und räusperte sich (einfach nur so, um ein klein wenig Mut zu fassen). Doch das Räuspern klang ziemlich heiser und schwach.
    Schon aber zog unter der Tür hindurch etwas wie faulige Feuchte ins Zimmer. Schauer lief ihm den Rücken entlang. Und da musste auch gleich noch die Uhr losdröhnen und unerwartet Mitternacht schlagen. Ja, selbst dieses Schlagen der Uhr ließ den Finanzdirektor erbeben. Aber den Rest gab ihm die Tatsache, dass sich dort, im englischen Türschloss, sehr, sehr leise der Schlüssel

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