Meister und Margarita
treten.
– Und ich trat in die Welt, mit ihm in der Hand, und da war meine Welt für immer zerbrochen –, wisperte der Meister, ließ den Kopf hängen, und noch lange schwankte das schwermütige schwarze Mützchen mit dem gelben »M«. Er führte seine Rede fort, doch sie wirkte recht unzusammenhängend. Nur eins war aus all dem klar zu verstehen: dass sich damals etwas Tragisches ereignet hatte.
– Zum ersten Mal landete ich im Literaturbetrieb. Aber jetzt, wo alles längst vorbei ist und mein Scheitern für alle offenbar, erinnere ich mich daran mit Schaudern! –, flüsterte er feierlich und hob seinen Arm. – In der Tat, er hat mich zutiefst erstaunt – oh ja – in der Tat – zutiefst!
– Wer denn? –, hauchte Iwan, kaum hörbar, um den aufgewühlten Erzähler bloß nicht zu unterbrechen.
– Na, der Redakteur – ich sagte es doch: der Redakteur. Jawohl, er hatte ihn durchgelesen. Sah mich so an, als wär’ mein Gesicht angeschwollen. Schielte zur Seite. Kicherte verschämt. Drückte grundlos das Typoskript in den Händen. Und krächzte. Die Fragen, die er mir stellte, erschienen mir wie der reinste Wahnsinn. Ohne auf den Inhalt einzugehen, wollte er wissen, wer ich denn sei, woher ich komme, seit wann ich schreibe, warum ihm der Name so gar nichts sagt. Und schließlich diese – aus meiner Sicht – gänzlich idiotische Frage: Wer hat es mir in den Kopf gesetzt, einen Roman mit derart seltsamem Thema zu Papier zu bringen?
Bald war ich ihn leid und fragte direkt: »Wollen Sie es drucken, oder wollen Sie nicht?«
Er wurde unruhig, murmelte etwas und meinte, er könnte die Angelegenheit nicht im Alleingang entscheiden. Auch andere Mitglieder des Redaktionskollegiums müssten mit dem Werk vertraut werden – namentlich die Rezensenten Latunski und Ahriman sowie der Literat Lawrowitsch. Er bat mich, in zwei Wochen wiederzukommen.
Also kam ich zwei Wochen später wieder und wurde von irgendeinem Weib empfangen – mit Augen, die vom ständigen Lügen zur Nase hin schielten.
– Das ist Lapschonnikowa, die Redaktionssekretärin –, sagte mit leisem Schmunzeln Iwan, der die Welt, die sein Gast so wütend beschrieb, nur zu gut kannte.
– Mag sein –, versetzte jener, – von ihr bekam ich nun den Roman zurück – mit fettigen Flecken und ziemlich zerfleddert. Sie war bemüht, mir möglichst nicht direkt in die Augen zu sehen. Lapschonnikowa erklärte, die Redaktion wäre bereits für die nächsten zwei Jahre mit Material zugedeckt, weshalb sich die Frage der Publikation meines Romans, wie sie sagte, »erübrige«.
– Was fällt mir dazu sonst noch ein? –, brummte der Meister und rieb sich die Schläfe. – Ach ja, herabgewehte rote Blüten auf der Titelseite. Und dann noch die Augen meiner Freundin. Ja, diese Augen fallen mir ein.
Die Erzählung von Iwans Gast wurde immer verworrener, immer größere Lücken taten sich auf. Er redete etwas vom »schiefen Regen«, von der Verzweiflung im Kellerasyl, davon, dass er noch wo anders gewesen war. Im Flüsterton schrie er, dass er ihr, die ihn zum Kampf angestachelt hatte, für nichts die Schuld gibt! – oh nein! – für nichts!
Und weiter geschah, wie Iwan erfuhr, etwas Urplötzliches und Erschreckendes: Eines Tages schlug unser Held die Zeitung auf und erblickte mitten darin einen Essay des Rezensenten Ahriman mit dem Titel »Der Feind aus dem Hinterhalt«. Dort warnte Ahriman jeden und jede, dass er – unser Held – den Versuch unternimmt, »in die gedruckte Literatur eine Rechtfertigung Jesu Christi einzuschmuggeln«.
– Ich weiß! Ich weiß! –, rief Iwan aus. – Nur Ihren Namen hab’ ich vergessen!
– Ich sage doch, lassen wir meinen Namen, es gibt ihn nicht mehr –, erwiderte der Gast. – Was liegt schon daran! Am übernächsten Tag fand sich in einer anderen Zeitung ein weiterer Artikel, geschrieben vom Literaten Lawrowitsch. Der Autor empfahl, auf das »Pilatentum« einzuschlagen – mit aller Macht! – und auch auf diesen »Ikonenmaler«, dem es einfiel, dasselbige (wieder einmal jener furchtbare Ausdruck!) »in die gedruckte Literatur einschmuggeln zu wollen«.
Von dem unerhörten Begriff »Pilatentum« wie vor den Kopf gestoßen, las ich nun eine dritte Zeitung. Sie enthielt zwei Artikel – einen von Latunski, den anderen von einem gewissen »M. S.«. Eins steht fest: Das Geschreibsel von Ahriman und Lawrowitsch erschien im Vergleich mit dem von Latunski geradezu als eine Bagatelle. Es reicht zu sagen, dass sich
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