Meister und Margarita
vier fuffzig … Steigt der aus, die Sau! Später guck’ ich drauf: Nix Zehner, nur so ’n Aufkleber. Vom Mineralwasser! – An dieser Stelle fügte der Fahrer einige nicht druckfähige Wörter ein. – Dann ’n anderer, an der Subowskaja. Wieder ’n Zehner. Kriegt drei retour. Zischt ab! Ich greif’ in die Börse, da schwirrt ’neWespe heraus und – zack! – sticht zu: Genau in ’n Finger rein! Au weia! … – Und erneut warf er einige unwiederholbare Ausdrücke ein. – Und der Zehner weg. Gestern hat doch in diesem Varieté (Auslassung) irgendso ’n Trickser (Auslassung) so Kunststückchen mit Zehnern gezeigt (Auslassung) …
Der Buchhalter erstarrte, machte sich klein und tat so, als höre er das Wort »Varieté« zum ersten Mal in seinem Leben. Im Stillen aber dachte er nur: »Oje, oje! …«
Er kam an, zahlte ohne Zwischenfälle, betrat das Gebäude und schritt durch den Flur zum Büro des Vorsitzenden. Aber schon unterwegs bemerkte er: Falscher Zeitpunkt. Überall in der Kanzlei der Schauspielkommission ging es irgendwie chaotisch zu. Eine Hausbotin jagte an ihm vorbei – das Kopftuch schief in den Nacken gerutscht, die Augen weit offen.
– Nix da, nix da, nix da, Kinder! –, rief sie, an wen auch immer gewandt. – Der Anzug und die Hose – bittschön, aber im Anzug selber nix drin!
Sie verschwand hinter einer Tür, und sofort klirrte dort zerbrochenes Geschirr. Aus dem Sekretariat stürzte der dem Buchhalter bekannte Leiter der Ersten Sektion heraus – freilich in einem solchen Zustand, dass er den Buchhalter nicht wiedererkannte – und eilte davon.
Von all dem schwer mitgenommen, erreichte Lastotschkin das Sekretariat – das Vorzimmer zum Büro des Vorsitzenden. Da aber wurde es noch bunter.
Aus dem Büro drang eine donnernde Stimme. Eindeutig die von Prochor Petrowitsch, dem Vorsitzenden der Kommission. »Da bekommt wohl jemand eine kräftige Abreibe!«, dachte Wassilij Stepanowitsch bange, drehte sich um und erblickte Folgendes: Im Ledersessel – den Kopf an die Lehne geworfen – unaufhaltsam heulend – mit einem klatschnassen Tuch in der Hand – die Beine ausgestreckt bis zur Mitte des Zimmers – lag Prochor Petrowitschs Sekretärin, die bildhübsche Anna Richardowna.
Anna Richardownas Kinn war vollständig mit Lippenstiftfarbe beschmiert. Und über die Pfirsichwangen krochen – von den Wimpern kommend – schwarze Ströme der matschig gewordenen Tusche herab.
Als sie sah, dass jemand den Raum betrat, sprang Anna Richardowna aus dem Sessel, sauste zum Buchhalter, zerrte an den Schößen seines Anzugs und schrie:
– Na, Gott sei Dank! Wenigstens ein Mutiger! Sind alle feige, sind alles Verräter! Los, gehen wir zu ihm, ich weiß nicht weiter! – Und schluchzend zog sie Lastotschkin ins Büro.
Sobald der Buchhalter ins Büro gelangte, ließ er als erste Amtshandlung den Koffer fallen, und alle Gedanken in seinem Kopf schlugen Purzelbäume – aus gutem Grund.
Am riesigen Schreibtisch mit wuchtigem Tintenfass saß ein leerer Anzug und bewegte die Feder – ohne sie vorher in Tinte getaucht zu haben – auf dem Blatt Papier hin und her. Er trug einen Schlips. Aus der Brusttasche blickte ein Füller heraus. Doch über dem Kragen fehlten der Hals und der Kopf, in den Manschetten die beiden Hände. Das Kleidungsstück war in Arbeit vertieft und nahm keine Notiz von dem ganzen Trubel. Als es hörte, dass jemand hereinkam, lehnte es sich im Sessel zurück, und über dem Kragen ertönte die wohlvertraute Stimme von Prochor Petrowitsch:
– Also, das reicht. An der Tür steht geschrieben, bin für keinen zu sprechen.
Die bildhübsche Sekretärin kreischte auf und rang die Hände:
– Sehen Sie? Sehen Sie?! Er ist weg! Er ist weg! Machen Sie was, dass er wieder da ist!
Jemand schob seine Nase durch die Tür, schnappte nach Luft und schwirrte hinaus. Dem Buchhalter schlotterten die Knie. Er sank auf den Rand eines Stuhls, vergaß jedoch nicht, seinen Koffer aufzuheben. Und Anna Richardowna hüpfte um ihn herum, malträtierte seinen Anzug und piepste:
– Ich habe ihn immer, immer gewarnt, nicht den Teufel beim Namen zu rufen! Das hat er nun davon! – Jetzt lief die Schönezum Schreibtisch und sagte mit musikalisch zärtlicher Stimme (allerdings vom Heulen ein wenig näselnd): – Proscha! Wo sind Sie?
– »Proscha«? Für Sie immer noch Prochor Petrowitsch! –, wies sie das Kleidungstück zurecht und machte sich im Sessel noch breiter.
– Hat alles vergessen! Hat mich
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