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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Palette disputierten. Ich will auf hören, es geht gegen fünf Uhr, das schöne Licht fängt an. Sei ge-grüßt von Deinem
    Klingsor.
    Nachschrift:
    Ich erinnere mich, daß Du ein kleines Bild von mir gern hattest, das am meisten chinesische, das ich gemacht habe, mit der Hütte, dem roten Weg, den veronesergrünen Zackenbäumen und der fernen Spielzeug-stadt im Hintergrund. Ich kann es jetzt nicht schicken, weiß auch nicht, wo Du bist. Aber es gehört Dir, das möchte ich Dir für alle Fälle sagen.
    Klingsor schickt seinem Freunde Thu Fu
    ein Gedicht (Aus den Tagen, in welchen er an seinem Selbstbildnis malte)
    Trunken sitz ich des Nachts im durchwehten

    Gehölz,
    An den singenden Zweigen hat Herbst genagt;
    Murmelnd läuft in den Keller,
    Meine leere Flasche zu füllen, der Wirt.

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    Morgen, morgen haut mir der bleiche Tod
    Seine klirrende Sense ins rote Fleisch,
    Lange schon auf der Lauer
    Weiß ich ihn liegen, den grimmen Feind.
    Ihn zu höhnen, sing ich die halbe Nacht,
    Lalle mein trunkenes Lied in den müden Wald;
    Seiner Drohung zu lachen
    Ist meines Liedes und meines Trinkens Sinn.
    Vieles tat und erlitt ich,
    Wandrer auf langem Weg,
    Nun am Abend sitz ich, trinke und warte bang,
    Bis die blitzende Sichel
    Mir das Haupt vom zuckenden Herzen trennt.
    Das Selbstbildnis
    In den ersten Septembertagen, nach vielen Wochen einer ungewöhnlichen trocknen Sonnenglut, gab es einige Regen tage. In diesen Tagen malte Klingsor, in dem hochfenstrigen Saal seines Palazzos in Castagnetta, sein Selbstporträt, das jetzt in Frankfurt hängt.
    Dies furchtbare und doch so zauberhaft schöne Bild, sein letztes ganz zu Ende geführtes Werk, steht am Ende der Ar beit jenes Sommers, am Ende einer unerhört glü-
    henden, ra senden Arbeitszeit, als deren Gipfel und Krö-
    nung. Vielen ist es aufgefallen, daß jeder, der Klingsor kannte, ihn auf die sem Bilde sofort und unfehlbar wie-dererkannte, obwohl nie mals ein Bildnis sich so weit von jeder naturalistischen Ähn lichkeit entfernte.

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    Wie alle späteren Werke Klingsors, so kann man auch dies Selbstbildnis aus den verschiedensten Standpunk-ten betrach ten. Für manche, zumal solche, die den Maler nicht kannten, ist das Bild vor allem ein Farbenkon-zert, ein wunderbar ge stimmter, trotz aller Buntheit still und edel wirkender Tep pich. Andre sehen darin einen letzten kühnen, ja verzweifel ten Versuch zur Befreiung vom Gegenständlichen: ein Ant litz wie eine Landschaft gemalt, Haare an Laub und Baum rinde erinnernd, Au-genhöhlen wie Felsspalten – sie sagen, dies Bild erinnere an die Natur nur so, wie mancher Bergrücken an ein Menschengesicht, mancher Baumast an Hände und Beine erinnert, nur von ferne her, nur gleichnis-haft. Viele aber sehen im Gegenteil gerade in diesem Werk nur den Gegenstand, das Gesicht Klingsors, von ihm selbst mit unerbittlicher Psychologie zerlegt und gedeutet, eine riesige Konfession, ein rücksichtsloses, schreiendes, rührendes, erschreckendes Bekenntnis.
    Noch andere, und darunter einige seiner erbittertsten Gegner, sehen in diesem Bildnis le diglich ein Produkt und Zeichen von Klingsors angeblichem Wahnsinn. Sie vergleichen den Kopf des Bildes mit dem naturalistisch gesehenen Original, mit Photographien, und fi nden in den Deformationen und Übertreibungen der For men negerhafte, entartete, atavistische, tierische Züge. Manche von diesen halten sich auch über das Götzenhafte und Phantastische dieses Bildes auf, sehen eine Art von monomanischer Selbstanbetung darin, eine Blasphe-395
    mie und Selbstverherrlichung, eine Art von religiösem Größenwahn. Alle diese Arten der Betrachtung sind möglich und noch viele andere.
    Während der Tage, die er an diesem Bilde malte, ging Klingsor nicht aus, außer des Nachts zum Wein, aß nur Brot und Obst, das ihm die Hauswirtin brachte, blieb unrasiert und sah mit den unter der verbrannten Stirn tief eingesunke nen Augen in dieser Verwahrlosung in der Tat erschreckend aus. Er malte sitzend und auswendig, nur von Zeit zu Zeit, fast nur in den Arbeitspausen, ging er zu dem großen, altmo dischen, mit Rosenranken bemalten Spiegel an der Nord wand, streckte den Kopf vor, riß die Augen auf, schnitt Ge sichter. Viele, viele Gesichter sah er hinter dem Klingsor-Gesicht im großen Spiegel zwischen den dummen Rosenran ken, viele Gesichter malte er in sein Gesicht hinein: Kinder gesichter süß und erstaunt, Jünglingsschläfen voll Traum, und Glut, spöttische Trinkeraugen, Lippen eines Dürsten-den,

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