Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
Namen Maria ich nun auch erfahren hatte.
    Beim nächsten Zusammentreff en mit ihr gelang es mir, sie etwas besser zu unterhalten, wir plauderten ganz vertraulich und ich erfuhr manches über ihr Leben. Auch durfte ich sie nach Hause begleiten, und es war mir wie im Traum, daß ich wieder mit ihr denselben Weg durch die ruhigen Straßen ging. Ich sagte ihr, ich habe oft an jenen Heimweg gedacht und mir gewünscht, ihn noch einmal gehen zu dürfen. Sie lachte vergnügt und fragte mich ein wenig aus. Und schließ lich, da ich doch am Bekennen war, sah ich sie an und sagte: »Ich bin nur Ihretwegen nach München gekommen, Fräulein Maria.« Ich fürchtete sogleich, das möchte zu dreist 115
    gewesen sein, und wurde verlegen. Aber sie sagte nichts darauf und sah mich nur ruhig und ein wenig neugierig an. Nach einer Weile sagte sie dann: »Am Donnerstag gibt ein Kamerad von mir ein Atelierfest. Wollen Sie auch kommen? – Dann holen Sie mich um acht Uhr
    hier ab.«
    Wir standen vor ihrer Wohnung. Da dankte ich und nahm Abschied. So war ich denn von Maria zu einem Fest eingela den worden. Eine große Freudigkeit kam über mich. Ohne daß ich mir von diesem Feste allzu-viel versprach, war es mir doch ein wunderlich süßer Gedanke, von ihr dazu aufgefor dert zu sein und ihr etwas zu verdanken. Ich besann mich, wie ich ihr dafür danken könne, und beschloß, ihr am Don nerstag einen schönen Blumenstrauß mitzubringen.
    In den drei Tagen, die ich noch warten mußte, fand ich die heiter zufriedene Stimmung nicht wieder, in der ich die letzte Zeit gewesen war. Seit ich ihr das gesagt hatte, daß ich ihret wegen hierhergereist sei, war meine Unbefangenheit und Ruhe verloren. Es war doch so gut wie ein Geständnis gewe sen, und nun mußte ich immer denken, sie wisse um meinen Zustand, und überlege sich vielleicht, was sie mir antworten solle. Ich brachte diese Tage meist auf Ausfl ügen außerhalb der Stadt zu, in den großen Parkanlagen von Nymphenburg und von Schleißheim oder im Isartal in den Wäldern.
    Als der Donnerstag gekommen war und es Abend
    wurde, zog ich mich an, kaufte im Laden einen großen 116
    Strauß rote Rosen und fuhr damit in einer Droschke bei Maria vor. Sie kam sogleich herab, ich half ihr in den Wagen und gab ihr die Blumen, aber sie war aufgeregt und befangen, was ich trotz meiner eigenen Verlegenheit wohl bemerkte. Ich ließ sie denn auch in Ruhe und es gefi el mir, sie so mädchenhaft vor einer Festlichkeit in Aufregung und Freudenfi eber zu sehen. Bei der Fahrt im off enen Wagen durch die Stadt über kam auch mich allmählich eine große Freude, indem es mir scheinen wollte, als bekenne damit Maria, sei es auch nur für eine Stunde, sich zu einer Art von Freundschaft und Einver ständnis mit mir. Es war mir ein festtägliches Ehrenamt, sie für diesen Abend unter meinem Schutz und meiner Beglei tung zu haben, da es ihr hierzu doch gewiß nicht an anderen erbötigen Freunden gefehlt hätte.
    Der Wagen hielt vor einem großen kahlen Miethause, des sen Flur und Hof wir durchschreiten mußten. Dann ging es im Hinterhause unendliche Treppen hinauf, bis uns im ober sten Korridor ein Schwall von Licht und Stimmen entgegen brach. Wir legten in einer Nebenstu-be ab, wo ein eisernes Bett und ein paar Kisten schon mit Mänteln und Hüten be deckt waren, und traten dann in das Atelier, das hell erleuch tet und voll von Menschen war. Drei oder vier waren mir fl üchtig bekannt, die andern samt dem Hausherrn aber alle fremd.
    Diesem stellte mich Maria vor und sagte dazu: »Ein Freund von mir. Ich durfte ihn doch mitbringen?«

117
    Das erschreckte mich ein wenig, da ich glaubte, sie habe mich angemeldet. Aber der Maler gab mir unbe-irrt die Hand und sagte gleichmütig: »Ist schon recht.«
    Es ging in dem Atelier recht lebhaft und freimütig zu.
    Jeder setzte sich, wo er Platz fand, und man saß nebeneinander, ohne sich zu kennen. Auch nahm sich jedermann nach Belie ben von den kalten Speisen, die da und dort herumstanden, und vom Wein oder Bier, und während die einen erst anka men oder ihr Abendbrot aßen, hatten andere schon die Zi garren angezündet, deren Rauch sich allerdings anfänglich in dem sehr hohen Räume leicht verlor.
    Da niemand nach uns sah, versorgte ich Maria und dann auch mich mit einigem Essen, das wir ungestört an einem kleinen niederen Zeichentisch verzehrten, zusammen mit ei
    nem fröhlichen, rotbärtigen Man-
    ne, den wir beide nicht kannten, der uns aber munter und anfeuernd zunickte.

Weitere Kostenlose Bücher