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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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oder Stiefel?«, fragte Alruna kühl.
    »Ich würde gern deine Wandteppiche bewundern.«
    Wieder loderte dieser Schmerz auf, als würde Stahl auf Fleisch treffen. Richard hatte sich noch nie dafür interessiert, was sie am liebsten tat.
    »Seit wann interessiert sich ein Mann für Weibersachen?«, fuhr sie ihn an.
    Sein Lächeln blieb freundlich. »Deine Mutter meint, dass deine Wandteppiche viele Geschichten erzählen. Geschichten können auch Männer erzählen … und hören.«
    Ihr fiel kein Widerwort ein. »Nun gut, ich zeige dir meine Teppiche. Aber meine Mutter hat alle schon gesehen. Sie lässt uns gewiss allein, nicht wahr?«
    Damit hatte Mathilda nicht gerechnet. Sie schien sichtlich unschlüssig, was sie nun tun sollte. Alruna überkam Schadenfreude, doch das Vergnügen währte nicht lange, nur, bis Mathilda den Raum verlassen hatte. Danach war sie mit Arfast allein – und mit ihrem Schmerz.
    Anstatt sich zu erheben, blieb sie beim Spinnrad hocken. Zunächst wartete er geduldig, schließlich fragte er verwirrt: »Was hast du?«
    Sie blickte hoch. Nichts habe ich!, hätte sie am liebsten geschrien. Keinen Beweis seiner Zuneigung, die über die eines Bruders zur Schwester hinausgeht! Kein Wort, das ich in Gedanken drehen und wenden kann, bis ein Liebesgeständnis draus würde, so wie ein Schmied das glühende Eisen schlägt, bis es eine scharfe und silbrig glänzende Waffe ist! Nichts ist da zwischen mir und Richard, das ewig währte wie Stahl – nur morsches Holz, das zersplittert, sobald man es zu kräftig anpackt!
    Aber all das konnte sie Arfast nicht sagen. Er war zu fremd. Zu freundlich.
    »Du musst nicht länger Neugier heucheln«, zischte sie, »meine Mutter kann dich nicht mehr hören, und ich weiß genau, dass Männer wie du ihre Zeit doch am liebsten bei Pferden und Waffen verbringen. Und du bist hier in Rouen, um dem Grafen zu dienen, nicht um bei einem Weib zu hocken!«
    Falls ihre rüden Worte ihn kränkten, zeigte er es nicht, und obwohl sie ihn eben erst kennengelernt hatte, war sie sich plötzlich sicher: Er hatte ein sonniges Gemüt, das jeden Raum erhellte, auch wenn draußen Stürme peitschten und drinnen dick der Rauch stand. Und er war ein Mann, an dem man, selbst wenn er bis obenhin im Dreck stünde, keine schwarzen Seelengründe wittern könnte. Das Blau seiner Augen glich klarem Wasser – nicht dem tiefen, weiten des Meeres, sondern dem seichten eines fröhlich plätschernden Bächleins.
    »Es stimmt«, sagte er, »ich habe als Knappe bei Bernhard dem Dänen gelebt und bin nun nach Rouen gekommen, um endgültig ein Krieger zu werden.«
    Bernhard war wie Osborn von Cent-Ville ein wichtiger Berater Richards gewesen.
    »Und warum suchst du dann meine Gesellschaft und nicht die Richards? Warum willst du Wandteppiche bestaunen, die von Heldentaten anderer erzählen, anstatt selbst welche zu vollbringen?«
    »Oh, du kannst mir glauben, ich wäre gern nach Beauvais geritten.«
    »Nach Beauvais?«
    »Richard ist erst kürzlich aufgebrochen.«
    »Das wusste ich nicht …«
    Weil niemand es ihr gesagt hatte, vor allem Richard nicht. Weil er niemals seine Pläne mit der kleinen Schwester besprach … sie nur dann und wann neckte, wenn er gerade Zeit und Lust hatte.
    »Ja«, erklärte Arfast. »Bruno, der Erzbischof von Köln, hat Richard zu einem Treffen in Beauvais eingeladen, doch nur wenige Getreue durften ihn begleiten. Ich gehöre noch nicht dazu. Und auch wenn ich es gern tue – man kann nicht den ganzen Tag reiten und kämpfen, will man nicht nur ein Reiter und Krieger sein, sondern auch ein Mann mit Herz und Verstand bleiben. Kann ich denn nun die Teppiche sehen?«
    Seine Ehrlichkeit war entwaffnend, und Alrunas Sehnsucht, sich von aller Welt zurückzuziehen, nicht sonderlich ausdauernd. Mit sich allein würde sie ja doch nur noch mehr im Schmerz versinken – vor diesem freundlichen Mann war sie hingegen gezwungen, sich zu verstellen, und weil er zu schlicht war, um die Verstellung zu bemerken, könnte sie kurz selbst daran glauben, dass sie nichts weiter als ein junges Mädchen war, das stolz seine Handarbeiten zeigte.
    Sie erhob sich. »Also gut, komm mit.«
    Später fühlte Alruna sich nur müde, nicht gequält wie sonst. Sie zog sich in die Schlafkammer zurück, die sie mit den anderen Mädchen teilte, Schwestern und Töchtern von Kriegern, Notaren oder den Inhabern der Hofämter, die zu fein zum Dienen waren und seit Kindesbeinen in der Pfalz des Grafen lebten. In den letzten

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