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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Wärme, sondern Frost. »Wer ist euer Anführer?«, fragte sie.
    »Ein Däne wie du und ich … Vor zwanzig Jahren ist er im Gefolge von König Harald, der damals noch ein Prinz war, ins Land gekommen. Richard hat dessen Hilfe einst ebenso gebraucht, um an der Macht zu bleiben, wie heute. Seinen Männern hat er viel versprochen, am Ende jedoch wenig gegeben. Die, die nicht zurück nach Dänemark gekehrt waren, erhofften sich hier eine Zukunft, doch Richard gab ihnen kaum Land, nur das Gefühl, widerwillig geduldet zu sein. Unter einem Grafen, der nicht vor Christus buckelt, sondern an die Götter glaubt, wird sich das ändern.«
    Gunnora nickte. Zu jenen Dänen, die einst Prinz Harald begleitet hatten, zählten die Verwandten ihres Vaters, deren Namen sie vergessen hatte und deren Gesichter sie nicht kannte … nicht so gut wie die von Mathilda, Arvid … von Richard.
    Sie schüttelte den Gedanken ab.
    »Du willst ihn doch auch stürzen! Du willst ihn doch auch tot sehen!«, rief Gyrid eifrig.
    Gunnora war dankbar, dass jemand den Raum betrat und sie keine Antwort geben musste. Alruna, Mathildas Tochter, setzte sich eben an den Webstuhl. Nur selten hatte Gunnora sie jüngstens gesehen und war stets von ihr missachtet worden, so auch heute. Doch ganz gleich, wie feindselig sie sich verhielt – sie bot die Gelegenheit, vor Gyrid zu fliehen, und Gunnora nutzte sie. Stundenlang streifte sie durch die Burg, versuchte ihre Gedanken zu sortieren, blieb aber unsicher, ob sie den Hass, den sie in Gyrids Augen hatte aufblitzen sehen, teilte oder nicht. In den nächsten Tagen wusste sie auch nicht, ob sie hoffen sollte, sie wiederzusehen, oder sich vielmehr davor fürchten.
    So oder so, Gyrid blieb ihr fern, ein anderer hingegen kehrte in ihr Leben zurück, abgekämpft und müde und dennoch voller Gier, sie zu sehen, zu umarmen, zu halten: Richard. Sie wünschte sich, er würde etwas sagen oder tun, was den Aufruhr ihrer Gefühle besänftigte und sie von ihrem Zwiespalt erlöste, doch anders als so oft, bedurfte er nur ihres Körpers, nicht ihres Verstands. Er zog sie an sich, sobald sie sein Gemach betreten hatte, liebte sie voller Hast und Verlangen, aber erzählte ihr nichts von dem, was er in den letzten Wochen erlebt hatte. Das erfuhr Gunnora am nächsten Tag von anderen.
    Wie aus dem Nichts tauchte dann auch Gyrid vor ihr auf, als sie in den Hof trat. »Der Graf ist also wieder zurück«, sagte sie vielsagend.
    »Was willst du von mir?«, gab Gunnora unwirsch zurück.
    Gyrid antwortete nicht, sondern gab lediglich ein Zeichen, ihr zu folgen. Sie gingen in den Stall und trafen einen der Pferdeknechte, der auch zu den dänischen Aufständischen gehörte, wie Gyrid sie nannte.
    Forsch schritt Gyrid auf ihn zu. »Stimmen die Gerüchte, die man aus den Provinzen hört?«
    Der junge Mann nickte. »Graf Richard kann die Dänen kaum mäßigen. Sie kamen her, um zu kämpfen, doch nun, da der Krieg ausbleibt, werden sie unruhig. Einige Truppen haben Raubzüge in die Nachbarländer unternommen und die Menschen dort in Angst und Schrecken versetzt.« Er lachte auf.
    Raubzüge, dachte Gunnora. Ruinen, brennende Häuser, Blut, Tote, Sklaven. »Ich … ich will damit nichts zu tun haben«, sagte sie laut.
    »Graf Richard hat diesen Ausbruch an Gewalt nicht verhindert, im Gegenteil«, rief Gyrid. »Er ließ die Dänen wüten, um seinen Feinden zu zeigen, wie stark er ist.«
    Der junge Mann nickte, als Gunnora ihn fragend ansah. »Die Überfälle haben seinen Widersachern schwer geschadet. Manch einer würde lieber Frieden mit der Normandie schließen, anstatt seine Truppen in den Krieg zu führen.«
    »Erneut ist der Graf über Leichen gegangen, um seine Ziele zu erreichen!«, rief Gyrid ungehalten. »Wie lange sollen wir das noch hinnehmen? Und werden wir, so erstarkt wie er nun ist, künftig überhaupt noch eine Chance haben, ihn zu entmachten? Wir müssen so bald wie möglich handeln!«
    Gunnora wandte sich dem Knecht zu. »Ich weiß immer noch nicht, was ihr von mir erwartet.«
    Abschätzend blickte er sie an. »Es heißt, dass Graf Richard dich sofort zu sich rufen ließ, als er gestern heimkehrte.«
    Gunnora fühlte tief in ihrem Leib ein ebenso lustvolles wie verräterisches Pochen. »Was geht’s dich an?«, schnaubte sie.
    »Ich werfe dir doch nicht vor, dass du so oft beim Grafen liegst«, erwiderte der junge Mann. »Im Gegenteil, es könnte uns von großem Nutzen sein. Keine Dänin kommt ihm so nah wie du. Und keiner Dänin

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