Meisterin der Runen
vertraut er so wie dir.«
Angst packte sie. Sie wollte nicht hören, was von ihr gefordert wurde, und eine Entscheidung treffen müssen. Sie wollte nicht den würzigen Geruch von Pferden einatmen und an Tod und Verderben denken. Sie wollte nicht, dass Richards Geruch an ihr haftete und ihr Schoß noch feucht von seinem Samen war, während sie mit seinen Feinden sprach.
»Wie heißt du?«, fragte sie den Mann, um Zeit zu schinden.
»Mein Name ist nicht von Bedeutung«, gab er zurück, zog aus seinem ledernen Wams ein Messer und reichte es ihr. »Das ist das Einzige, was zählt.«
Alruna verbarg sich im Schatten des Stalltors und wartete, bis Gunnora, Gyrid und der Mann den Stall verlassen hatten.
»Was machst du hier?«
Sie zuckte zusammen, als die Stimme sie traf, doch als sie hochblickte, erkannte sie zu ihrer Erleichterung nur Arfast. Seit Ewigkeiten war sie ihm nicht mehr begegnet, er hatte sie nicht minder gemieden als sie ihn.
Mich freuen, dachte sie im Stillen triumphierend, stolz auf meine Geduld und meine Beobachtungsgabe sein. Doch sie sprach es nicht aus.
»Du hast es also auch schon gehört«, meinte Arfast.
»Was?«
»Dass die Allianz bröckelt. Immer häufiger suchen die dänischen Truppen das Frankenreich heim. Die Großen des Landes werfen König Lothar vor, dass er allein schuld daran sei. Der wiederum beklagt sich bitter, dass er sich nur von Thibaud dazu habe hinreißen lassen, Richard zu bedrohen. Sie streiten miteinander, statt gemeinsam gegen unseren Grafen zu kämpfen.«
Als er geendigt hatte, wurde er rasch wieder ernst. Verspätet war ihm wohl eingefallen, dass auch Richards vorübergehendes Kriegsglück die Kluft nicht überbrücken konnte, die ihre bösen Worte einst geschlagen hatten.
Knapp nickte er ihr zu und ging.
Alruna jedoch lächelte auch dann noch, als nichts mehr von ihm zu sehen war. Sollte sich Arfast wegen vergangener Kränkung grämen – für sie war es ein guter Tag. Richards Feinde würden sich gegenseitig zerfleischen, und sie hatte endlich ein Mittel gefunden, Gunnora aus seinem Herzen zu vertreiben.
Richard ging auf und ab, als Alruna das Turmzimmer betrat. Sein Gesicht war nach den Anstrengungen der letzten Wochen blass und eingefallen, seine Schritte jedoch federnd, beschwingt, jung. Überrascht weiteten sich seine Augen, als er sie sah und nicht Gunnora, auf die er offenbar gewartet hatte.
Alruna empfand plötzlich einen schalen Beigeschmack. Gunnora war eine Rivalin, der sie alles Üble der Welt wünschte, Richard der Geliebte, dem sie Schmerz ersparen wollte. Doch ihn davor zu bewahren, dass Gunnora ihm ein Messer in die Brust rammte, bedeutete, ihn selbst nicht minder zu verletzen, und kurz bereute sie es, sich diese Rolle angemaßt und es nicht einem anderen überlassen zu haben, die Botschaft zu überbringen – ihrer Mutter oder ihrem Vater.
Noch wurde ihr eine Atempause zugestanden. Auch wenn Richard eine andere erwartet hatte, schien er durchaus erfreut, sie zu sehen.
»Hast du schon gehört, was passiert ist?«, rief er, lief auf sie zu und ergriff ihre Hände. »Thibaud le Tricheur lenkt ein und will Frieden mit mir schließen. Und das, obwohl er mir Évreux wird zurückgeben müssen. Schon ist ein Mönch eingetroffen, um das Angebot des Bischofs von Chartres zu überbringen, die Verhandlungen zu leiten.«
Alruna wusste, dass der Preis dafür hoch war – nämlich die gewalttätigen Dänen in seinem Reich zu dulden, doch wenn Richard nicht darüber sprach, wollte sie ihn ganz sicher nicht daran erinnern, ihm vielmehr gönnen, sich kurz von der Last befreit zu wissen.
»Und König Lothar?«, fragte sie.
»Er bietet einen Waffenstillstand an, zunächst für vierzig Tage. In dieser Zeit werden wir uns in Saint-Clair-sur-Epte treffen. Ich werde ihm die Treue zusichern und ein Festbankett geben, und ihm wird nichts übrig bleiben, als gute Miene zu machen. Gegenüber Thibaud le Tricheur werde ich ebenso großzügig sein. Sollen doch seine Garnisonen Évreux mit ihren Waffen verlassen! Hauptsache, sie kehren nicht zurück.«
Wie schnell er bereit war, zu vergeben und zu vergessen! Wie unberechenbar die Gefahr war, dass er sich womöglich auch Gunnora gegenüber so großherzig verhielt! Allein die Vorstellung fachte ihren Zorn an und ihre Entschlossenheit, nicht länger zu warten.
»Sie will dich töten«, sagte sie leise.
Richard lächelte verständnislos. »Was meinst du?«
Alruna atmete tief durch. »Die Dänen, die König Harald
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