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Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Titel: Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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verkratzt wie es war, trug er es wohl schon seit seiner Kindheit mit sich herum.
    „Wie kann man so sehr an Gott glauben und dabei ein solcher Hosenscheißer sein“, murmelte Harald wie im Selbstgespräch vor sich hin.
    „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“, zitierte Johannes, der ihn sehr gut gehört hatte.
    „Ja, und wer nichts wagt, gewinnt nicht.“ Das war Harald.
    „Man lebt nur einmal“, fügte Karla hinzu und fuhr sich durch die rotblonde Mähne. „Alle Sprüche in Ehren, Jungs, aber … müssen wir wirklich hier entlang gehen?“
    Harald hob die Schultern. „Wir müssen nicht, aber es bietet sich an. Du weißt, dass wir in der anderen Richtung bald an einen Zaun kommen, und dann ist der Spaziergang beendet. Und in der Nähe vom Ufer wollten wir doch bleiben, oder?“
    Sie gingen eine Weile, und Johannes sagte: „Mich würde interessieren, ob das Rohr noch dort liegt.“ Er knabberte an einem Fingernagel, unterließ es aber hastig, als er bemerkte, dass Karla ihn dabei beobachtete.
    „Wir werden es gleich sehen.“ Harald spielte den Anführer, gab den Weg vor. Das Ufer war grasbewachsen, und der an einigen Stellen feuchte Untergrund bewies, wie viel es in den letzten Tagen hier geregnet hatte. Der Seegeruch war viel milder und angenehmer als an heißen Tagen, man wagte tief durchzuatmen und konnte sich sogar vorstellen, zum Abendessen Fisch zu essen. Trotzdem war die Luft nicht wirklich frisch, sondern drückend. Die Hitze war da, sie lauerte überall, im Himmel, in der Erde, nur traute sie sich noch nicht heraus. Sie würde zuschlagen, wenn keiner mit ihr rechnete.
    Weiße Fetzen aus Dampf trieben vor den dunkelblauen Wolken dahin, zum Greifen nahe. Die drei Jugendlichen tauchten in ein Wäldchen ein, gingen geduckt unter niedrigen Ästen hindurch und wichen sumpfartigen Löchern aus, in denen sich noch immer Wasser hielt. Das letzte Mal, als sie hier gewesen waren, war der Himmel wolkenlos gewesen, die Luft heiß und auch direkt am Ufer noch trocken, das Laub hatte unter ihren Füßen geraschelt, die Schatten der Bäume waren eine willkommene Zuflucht von der erbarmungslosen Mittagssonne gewesen. Selbst an der dichtesten Stelle des Wäldchens war es noch blendend hell gewesen, während sich heute die Schatten feucht und klamm auf die drei Menschen zu legen schienen.
    In den Wipfeln stieß ein Vogel einen scheppernden Schrei aus, der irgendwie spöttisch klang. Johannes sah nach oben, konnte den gefiederten Kerl aber nicht entdecken.
    „Da vorne muss es sein – in der Senke.“ Harald wies auf einen Ort, an dem sich das ganze Zwielicht zu bündeln schien. „Denkt ihr dasselbe wie ich? Wenn es wenigstens zu regnen oder zu donnern anfangen würde, dann könnten wir jetzt umkehren.“
    „Aus dem Grund haben wir keine Schirme dabei, stimmt’s?“, meinte Karla. Sie zupfte an ihrem T-Shirt herum, wie immer, wenn sie nervös war. Darüber trug sie noch eine leichte Jacke. War sie bisher gleich neben Harald gegangen, ließ sie sich nun zurückfallen, bis sie sogar von Johannes überholt wurde.
    „Sein Weg war vorgezeichnet“, sagte dieser plötzlich. Die anderen blieben stehen und sahen ihn an. „Tims Weg, meine ich. Es war eine Mutprobe, ein Ritus zur Ini… Initiation. So etwas gehört in unserem Alter dazu. Er hat die Probe einfach nicht … bestanden.“
    Haralds Augen blickten ernst, und trotzdem grinste sein Mund. „Du hast es erfasst, Jo!“ Er ging ein paar Schritte auf den hageren Jungen zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Also, hab ich das richtig verstanden? Ab jetzt keine Schuldzuweisungen mehr?“
    Johannes schluckte. Sein Adamsapfel machte dabei eine hüpfende Bewegung. „Natürlich, Harald“, antwortete er langsam. „Natürlich. Es tut mir leid, wenn ich im letzten Jahr ein paar Dinge gesagt haben sollte, die …“ Er sah seine beiden Begleiter abwechselnd an. „Wisst ihr, es war für mich nicht so einfach, mit der Sache fertig zu werden.“
    „Das verstehen wir“, sagte Harald. „Und es stimmt auch, dass du von uns vier am wenigsten zu dem beigetragen hast, was passiert ist. Das ist korrekt.“
    Johannes senkte den Kopf, sagte nichts. Es war nicht zu erkennen, ob ihn die Bestätigung glücklich oder traurig machte. Irgendwo in seinem Inneren spielte sich etwas Kompliziertes ab, das keiner der anderen genau nachvollziehen konnte. Vermutlich war Gott irgendwie an seinen Gedanken beteiligt, seine Erziehung, Dinge, die in der Bibel standen oder die er in

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