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Melina und das Geheimnis aus Stein

Melina und das Geheimnis aus Stein

Titel: Melina und das Geheimnis aus Stein
Autoren: Marlene Röder
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Tor.
    „Genau“, keuche ich, während ich versuche, ihr den Ball abzunehmen. „Deshalb ist Will nämlich nach Deutschland gekommen. Weil sie ihn hier operieren werden.“
    Selbst über die Entfernung hinweg meine ich Pippas Stöhnen zu hören und ihr Flüstern: „Oh, halt einfach die Klappe, Melina.“
    Jessie spielt mich mühelos aus und schießt ihr erstes Tor.
    In den folgenden quälenden Minuten kassieren wir Tor um Tor, bis Will kapiert hat, wie Fußball funktioniert. Dann wirft er sich mit wehendem Mantel in die Flugbahn des Balls, kickt, springt und wehrt hoch geschossene Bälle ab, die aussehen, als könnte man sie nur noch erreichen, wenn man Flügel hat.
    Jessie pustet sich erstaunt eine blonde Locke aus der verschwitzten Stirn.
    „Okay, ich glaube, Lappland wurde in der Fußballwelt bisher unterschätzt“, gibt sie zu. „Pass auf, das nächste Tor entscheidet das Spiel, einverstanden?“
    „Einverstanden!“, antwortet Will.
    Die beiden sind völlig aufeinander konzentriert. Ich stehe dumm dazwischen, völlig nutzlos, aus dem Spiel. Es ist, als würde ich mich gar nicht auf derselben Wiese befinden, sondern mitten in einer Eiswüste in Lappland.
    „Hallo?!“, möchte ich am liebsten rufen. „Hallo, ich bin auch noch da!“ Als Jessie auf das Tor zustürmt, bin ich so sauer, dass ich versuche, gegen ihre Beine zu treten anstatt gegen den Fußball. Obwohl ich genau weiß, dass das unfair und ein Foul ist. Aber Jessie springt elegant über meine Füße hinweg, und während ich hinter ihr auf die ramponierte Wiese plumpse, sehe ich, wie sie auf Will zurennt. Ihre blonden Haare leuchten heller als jeder Briefkasten.
    Sie schießt, der Ball geht in die rechte obere Ecke, ein großartiger, ein unhaltbarer Schuss. Im selben Moment springt Will und die Zeit scheint kurz stillzustehen. Er bewegt sich in der Luft, als wäre das sein eigentliches Element, als gäbe es keine Schwerkraft mehr.
    Der Ball trifft ihn mit voller Wucht an der Schulter und prallt ab.
    Ich höre das Geräusch von splitterndem Stein. Dann fallen Will und der abgewehrte Ball zu Boden und Wills linker Arm … der fällt auch. Bricht einfach ab und plumpst ins Gras.
    Jessie kann nicht nur gut schießen, sie kann auch ziemlich laut schreien.
    Ich stürze zu Will hinüber, der verdutzt auf der Erde sitzt. „Oh Gott, Will, dein Arm … Tut es weh?“, rufe ich entsetzt.
    Will blickt mir ruhig entgegen und tastet nach seiner linken Schulter. Da ist kein Blut an seinem Mantel. „Nein, ich glaub nicht“, sagt er und wirft einen irritierten Blick zu Jessie hinüber, die sich aufführt wie eine Blondine in einem Horrorfilm. „Was ist das: wehtun?“, fragt er.
    „Erklär ich dir später“, flüstere ich. Obwohl ich mich ekele, hebe ich den Arm auf. Er fühlt sich glatt und kühl an, wie ein ganz normaler Stein. „Hier, stopf den unter deinen Mantel, dann hört sie vielleicht auf.“
    Will tut, was ich ihm gesagt habe, aber Jessie kreischt weiter: „ ABGEFALLEN ! Sein Arm ist abgefallen, einfach so!“ Sie wirft mir einen bitterbösen Blick zu. „Und jetzt erzähl mir nicht, dass das in Lappland völlig normal ist, Melina!“
    „Ähm, ich glaube, ich bring Will jetzt besser ins Krankenhaus“, weiche ich ihr aus.
    Es fehlt nur noch, dass Jessie mit dem Fuß auf die Erde stampft wie ein trotziges Kind. „Ihr könnt mich doch nicht einfach so hier stehen lassen, ohne jede Erklärung!“, ruft sie.
    Aber genau das machen wir. Ich schnappe mir meine Jacke, packe meine Statue an ihrem übrig gebliebenen Arm und zerre sie von der Fußballwiese.
    „Tschüss, Jessie!“, ruft Will. Jessie antwortet nicht. Sie steht einfach da und starrt uns nach, mit zerzausten Locken und zornfunkelnden Augen.
    „Na, das lief ja super mit eurem kurzen Spaziergang“, piepst Pippa aus meiner Jackentasche.
    Dass ich Will nicht wirklich in ein Krankenhaus bringen kann, ist klar. Die kennen sich da bestimmt super mit gebrochenen Armen aus, aber mit abgebrochenen? Wenn schon die coole Jessie eben so rumgeschrien hat, möchte ich nicht wissen, welche Panik Wills Anblick bei anderen Leuten auslöst.
    „Hubertus“, schlägt Pippa nach längerem Nachdenken vor. „Wir müssen ihn zurück auf den Friedhof zu Hubertus bringen! Der kennt sich aus mit Steinen.“
    Ich weiß nicht, ob ich Hubertus nach der blöden Geschichte von Rabbi Löw und seinem Golem noch besonders mag. Aber leider fällt mir auch nichts Besseres ein.
    Pippa und ich begleiten Will zu seinem
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