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Melina und das Geheimnis aus Stein

Melina und das Geheimnis aus Stein

Titel: Melina und das Geheimnis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Röder
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erst Will zurückbringen.
    Zum Glück ist das Friedhofstor inzwischen aufgeschlossen, sodass wir ganz normal hineingehen können. In den dürren Zweigen der Friedhofsbäume gefangen, hängt die Sonne. Ihr Licht wärmt kaum. Im Schatten der Grabsteine, zwischen denen wir hindurchgehen, glitzert der Raureif.
    „Danke für deine Hilfe. Du warst super!“, sage ich zu Wills Rücken. „Hast du gesehen, wie dumm Maik geguckt hat?“ Doch Will dreht sich nicht um. Wahrscheinlich hat er mich nicht gehört, denn er läuft so schnell, dass ich Mühe habe, hinterherzukommen. Für einen Moment verliere ich ihn sogar aus den Augen.
    Als ich ganz außer Atem beim Grabmal von Willhelm Osterbaum ankomme, ist Will schon hoch auf seinen Sockel geklettert. Die Arme um die Knie geschlungen sitzt er da und mustert mich, als hätte er mich vorher noch nie richtig gesehen.
    „Ich wollte mich noch mal bei dir bedanken …“, fange ich an, doch da fasst sich Will an die Brust, an die Stelle, wo Maik ihn geboxt hat. Da ist ein dunkler Fleck auf seinem Mantel. Ein Blutfleck. „Ich war das“, stellt Will fest und seine hellen, offenen Augen trüben sich. „Ich habe ihm wehgetan.“
    Anscheinend hat er inzwischen verstanden, was diese Worte bedeuten. Doch Will sieht das ganz falsch. „Du hast mir geholfen!“, sage ich.
    Will reibt an dem Fleck auf seinem Mantel, aber der geht nicht weg. Ich wünschte, er würde damit aufhören und wieder ganz normal mit mir reden. Jetzt wäre ich sogar froh, wenn er mir eine seiner bescheuerten Fragen stellen würde.
    Doch Will murmelt nur wieder: „Ich habe ihm wehgetan“, und dreht sich von mir weg. „Ich möchte schlafen.“ Er guckt mich nicht mehr an, bis ich seinen Fuß berührt habe und er langsamer als sonst zu Stein erstarrt.
    Auf dem Weg zurück zum Friedhofstor höre ich den ersten Frost unter meinen Schuhen knirschen. Die mit Raureif überzogenen Blätter sehen tatsächlich ein bisschen wie Steine aus.
    „Wenigstens habe ich mein Herbarium zurück“, sage ich laut zu Pippa. Komisch, der Ordner fühlt sich heute viel schwerer an als sonst.
    Pippa sagt nichts, sie schaut mich nur an. Was gucken die denn heute alle so? Maik, Tim, Will und jetzt auch noch Pippa.
    „Glotz nicht so!“ Ich stecke sie in meine Jackentasche.

Die Sandalen der Ägypter
    Am nächsten Freitag machen wir eine Klassenausstellung. Das heißt, dass jeder sein Herbarium auf den Tisch legt und wir alle im Bioraum umherschlendern und in den Ordnern der anderen blättern. Nur Maik bleibt sitzen.
    Der Biolehrer ist vor seinem Platz stehen geblieben und lässt die spärlichen Seiten von Maiks Herbarium durch seine Finger rascheln. „Gerade dir würde es guttun, dir die Ergebnisse der anderen genau anzusehen“, sagt er und schnalzt missbilligend mit der Zunge. „Zum Beispiel den Ordner von Melina … So sollte ein Herbarium aussehen!“ Er wirft mir quer durch den Raum hinweg ein Lächeln zu.
    Ich beuge mich tiefer über das Herbarium, das ich gerade betrachte. Maiks Blick brennt auf meiner Haut. Irgendwie habe ich es mir schöner vorgestellt, endlich mal eine Eins zu bekommen.
    Nur meine Eltern freuen sich. Als ich es ihnen beim Abendessen erzähle, lächelt meine Mutter. Es ist nicht dieses angestrengte Verziehen der Mundwinkel, das ich in den letzten Monaten zu oft an ihr gesehen habe. Nein, dieses Mal lächelt ihr ganzes Gesicht. Vor allem die Augen. Als wären die Eisberge darin ein bisschen abgetaut, sodass sie mich wieder besser erkennen kann.
    „Gut gemacht, Maus!“ Mein Vater hebt mich hoch und will mich herumwirbeln. Dabei stoße ich mit dem Fuß gegen meinen Stuhl. Au, das gibt bestimmt einen blauen Fleck! Aber ich presse die Lippen fest zusammen, damit kein Schmerzenslaut herausschlüpfen kann.
    „Uff, ich glaube, du bist seit dem letzten Mal gewachsen!“, schnauft mein Vater und setzt mich ab. „Das macht mein alter Rücken nicht mehr mit … Aber dafür darfst du dir etwas wünschen! Vielleicht ist es Zeit für deine 72 Stifte?“
    Es gibt einen Zeichenkasten, den ich mir schon lange wünsche. Er ist aus glänzendem rotbraunem Holz. Wenn man ihn aufklappt, liegen dort 72 Buntstifte aus duftendem Zedernholz, in allen Farben, die man sich vorstellen kann. Wie es sich wohl anfühlt, so einen Regenbogen zu besitzen?
    Aber da gibt es etwas, was ich mir noch mehr wünsche …
    Meine Stimme zittert ein bisschen. „Ich … also ich fände es schön, wenn wir mal wieder was zusammen machen. Wir drei, alle

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