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Melina und das Geheimnis aus Stein

Melina und das Geheimnis aus Stein

Titel: Melina und das Geheimnis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Röder
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bestand die Prüfung nicht …“
    „Was passierte dann?“, frage ich beklommen.
    „Dann“, antwortet mein Vater, „wurde das Herz von der Großen Fresserin Ammit verschlungen.“
    Ich erhasche einen flüchtigen Blick auf etwas Grässliches mit weit aufgerissenem Schlund und Zähnen wie Messer. Schnell presse ich die Augen zu und ziehe meinen Vater am Ärmel. „Können wir weitergehen?“
    Der nächste Raum ist besser.
    „Guck mal, die alten Schriftrollen an der Wand!“ Pippa ruft in ihrer Begeisterung so laut, dass ich schon fürchte, die anderen könnten sie hören. „Die sind aus Papyrus. Das ist eine Sumpfpflanze, die auch am Nil wächst. Darauf haben die vor mehr als zweitausend Jahren ihre Briefe geschrieben!“
    „Wie gut, dass inzwischen das Briefpapier erfunden wurde“, murmele ich und betrachte die zerfaserten, vergilbten Stücke.
    „Du Blödi!“, schimpft Pippa. „Du wirst schon sehen, eines Tages reise ich nach Ägypten, und dann wirst du froh sein, wenn du ein Fitzelchen Papyrus von mir kriegst!“
    „Hmm“, brumme ich und gehe rüber zu meinen Eltern, wo es Sachen anzugucken gibt, die ich interessanter finde. In einer Vitrine stehen sogar Sandalen, die sie in den Gräbern gefunden haben. Es gibt ein Sprichwort, das besagt, dass man erst weiß, wie ein anderer sich fühlt, wenn man in seinen Schuhen gelaufen ist.
    Ein Sandalenpaar ist winzig. Fast genauso winzig, wie Jonas’ Füße waren. Vor dieser Vitrine stehen meine Eltern und betrachten die Schuhe eines Kindes, das seit mehr als zweitausend Jahren tot ist.
    Meiner Mutter laufen Tränen über das Gesicht. Es ist ein ganz stilles Weinen. Wahrscheinlich bemerkt es niemand außer uns. Aber Paps blickt sich nervös nach den anderen Besuchern um und streicht sich die Haare über die Glatze. Er bietet Mama ein Taschentuch an, doch sie schüttelt den Kopf. Er fragt sie leise, ob sie nach Hause möchte, sie schüttelt wieder den Kopf.
    „Herrgott, Luise, was kann ich tun, damit das endlich aufhört?!“, fragt er, und seine Stimme hallt im Raum wider wie ein gefangener Donner.
    „Nichts“, antwortet Mama. „Gib mir Zeit. Gib dir selbst Zeit.“ Aber ich glaube, den Rest des Satzes hat Paps gar nicht mehr gehört. „Ich brauch frische Luft!“, schnaubt er und stürmt in Richtung Innenhof davon.
    „Das sieht ganz nach Weglaufen aus“, flüstert Pippa aus meiner Hosentasche. Zuerst kann ich das gar nicht glauben. Dafür ist man doch erwachsen, dass man vor nichts mehr weglaufen muss! Pippa stupst mich an. „Los, geh ihm hinterher, dein Paps braucht dich jetzt!“ Auch das kommt mir seltsam vor, weil es doch eigentlich so ist, dass Kinder ihre Eltern brauchen, und nicht umgekehrt. Trotzdem weiß ich, dass Pippa Recht hat.
    Ich werfe einen letzten Blick auf meine Mutter, die sich nun doch die Nase putzt und mir zunickt. Dann renne ich mit quietschenden Sohlen meinem Vater hinterher, obwohl das im Museum bestimmt verboten ist.
    Paps lehnt mit geschlossenen Augen an einer Säule im Innenhof. Ich muss zweimal hingucken, um zu begreifen, was er da macht: Tatsache, er raucht eine Zigarette! Obwohl das hier bestimmt auch verboten ist.
    Ich kenne das nur von vergilbten Fotos aus seiner Studentenzeit. Auf denen trägt er komische Klamotten, hat mehr Haare, raucht Zigaretten und sieht überhaupt nicht wie mein Vater aus.
    Als Paps die Augen öffnet und merkt, dass ich ihn anstarre, flucht er.
    „Für das Wort hätte ich früher eine Woche Fernsehverbot bekommen“, sage ich.
    „Stimmt“, gibt mein Vater zu und drückt hastig die Zigarette aus. „Ich wollte schon längst wieder aufhören“, erklärt er. „Aber der ganze Stress in den letzten Wochen … Ich schaff’s einfach nicht.“ Er lächelt ein kleines, erschöpftes Lächeln. „Tja, ich schätze, ich bin wohl doch kein so guter Ehemann … und kein so toller Vater, was?“ Es soll wie ein Scherz klingen, aber es klingt so traurig, dass ich meine Arme um das schlinge, was Paps immer seinen „Rettungsspeck“ nennt, „falls ich mal ein Schiffsunglück erlebe“.
    „Och, so schlimm bist du gar nicht“, versuche ich ihn zu trösten. „Du arbeitest in letzter Zeit nur ein bisschen viel.“
    „Weißt du, was das Gute an der Arbeit ist?“, fragt Paps. „Klar gibt es da auch manchmal Probleme, aber wenn du dich anstrengst, wenn du dich richtig reinhängst, kannst du sie lösen.“
    Auf der Arbeit schreibt Paps Programme und dann tun die Computer, was er eingegeben hat. Einfach so, man

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