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Melina und das Geheimnis aus Stein

Melina und das Geheimnis aus Stein

Titel: Melina und das Geheimnis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Röder
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zusammen.“
    Paps wirft Mama einen kurzen Blick zu. Seit Monaten hat sie das Haus fast nur verlassen, um den Friedhof zu besuchen oder zum Arzt zu gehen.
    Ich halte den Atem an. Wenn man an die Stelle kommt, wo ein Regenbogen endet, kann man manchmal einen Schatz finden.
    Mamas Lächeln zieht sich wieder in ihre Mundwinkel zurück, aber sie nickt. „Das ist eine gute Idee, Maus.“
    Paps ist aufgeregt, das sehe ich daran, wie er sich über den Kopf streicht. Hinten kriegt er eine kleine Glatze. Da streicht er immer die Haare drüber, damit niemand was merkt. Wenn er aufgeregt ist, will er auch, dass es niemand merkt.
    „Gut … Was kommt denn da infrage? Vielleicht könnten wir in die Therme fahren oder ins Museum … Ein Kollege hat mir von einer Ausstellung über das Alte Ägypten erzählt, ganz toll soll die sein.“ Hoffnungsvoll schaut Paps uns an.
    Eigentlich finde ich Museen langweilig. Immer muss man still sein und darf nichts anfassen. Stattdessen soll man ellenlange Texte auf Erklärungstafeln lesen.
    Aber jetzt nicke ich, als wäre ich von Paps’ Vorschlag völlig begeistert. Es ist mir egal, was wir machen, solange wir endlich wieder irgendwas zusammen machen. Ich werde das bravste Kind sein, das je ein Museum betreten hat!
    Das Museum ist ein großer Klotz aus Glas und Beton. Wir stehen schon um zehn Uhr morgens am Ticketschalter und sind unter den Ersten, die reingelassen werden. Außer uns haben es nur wenige andere Besucher geschafft, so früh aus dem Bett zu kommen. Das war Paps’ Plan. Er wollte nicht, dass sich Mama bei ihrem ersten Ausflug gleich durch Menschenmassen kämpfen muss.
    Auch ohne Menschenmassen sieht Mama so aus, als wäre ihr ein bisschen mulmig. Ganz fest hält sie Paps’ Hand.
    „Die Führung beginnt! Bitte alle zusammenbleiben!“, ruft mein Vater und wedelt mit dem Faltblatt, das er am Eingang bekommen hat.
    Wir betreten den ersten Saal. Durch eine große Fensterfront zum Innenhof fällt Licht herein. Überall im Raum verteilt stehen Särge aus Stein.
    Es ist Paps deutlich anzumerken, dass er sich den Familienausflug irgendwie anders vorgestellt hat.
    „ Die alten Ägypter glaubten daran, dass es ein Weiterleben nach dem Tod gibt – wenn der Körper erhalten bleibt “, liest er aus seinem Faltblatt vor, nachdem er sich von seinem Schreck erholt hat. „Na, wenigstens liegen hier keine Mumien drin!“
    Wir gehen zwischen den leeren Särgen hindurch. Manche sehen aus wie große Steinkästen, andere haben die grobe Form von Menschen.
    Mitten im Raum steht eine Statue aus schwarzem, matt glänzendem Gestein. Sie ist größer als mein Vater, so groß, dass wir die Köpfe in den Nacken legen müssen, um das Tiergesicht mit der spitzen Schnauze und den aufgerichteten Ohren zu betrachten. Der muskulöse Körper darunter ist der eines Menschen.
    „Dieser sympathische Herr mit dem Hunde- oder Schakalkopf ist Anubis, der altägyptische Gott der Bestattungsriten.“
    Paps lacht, aber es klingt unbehaglich. Plötzlich muss ich daran denken, dass er seit Jonas’ Beerdigung nicht wieder auf dem Friedhof war. Und dann fällt mir Will ein.
    Ob er traurig ist, dass ich an diesem Wochenende nicht komme, um ihn zu wecken? Andererseits ist mit Will seit dem Kampf um das Herbarium sowieso nicht viel anzufangen. Immer sitzt er auf der Friedhofsmauer und beobachtet die hell erleuchteten Fenster auf der anderen Straßenseite.
    Vielleicht tut es Will ja ganz gut, wenn ich heute nicht komme. Dann merkt er mal, wie das ohne mich ist, und gibt sich beim nächsten Mal mehr Mühe.
    „Ah, das ist interessant!“ Die Stimme meines Vaters reißt mich aus den Gedanken. Er studiert sein Faltblatt. „Seit dem Alten Reich glaubte man auch, dass Anubis ein Richter über die Toten war. Guckt, hier drüben kann man es erkennen.“
    Paps führt Mama und mich zu einem großen, kastenförmigen Sarg, auf dessen Seitenwand ein klitzekleiner Anubis und ein anderer Gott mit Vogelkopf eingemeißelt sind. Sie stehen unter einer großen Waage.
    „Das soll wohl die Wägung des Herzens darstellen“, überlegt mein Vater laut. „Das Herz des Verstorbenen wurde von Anubis gewogen.“
    „Gewogen?“, frage ich mit tonloser Stimme.
    „Ja.“ Mein Vater nickt bedächtig. „Der Verstorbene musste sich von all seinen bösen Taten lossagen. Sein Herz wurde dabei gegen eine Feder der Göttin der Gerechtigkeit aufgewogen. War die Waage im Gleichgewicht, konnte der Verstorbene weitergehen. Doch war das Herz zu schwer und

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