Melina und das Geheimnis aus Stein
würde ich auch machen, wenn eine Freundin mich darum bittet!“, ruft das Mädchen mit den eisgrauen Augen. „Es müsste schon etwas Schwierigeres sein, etwas … Gefährliches!“
Pippa zappelt aufgeregt in meiner Tasche herum. „Stopp das hier, Melina! Will ist doch dein Freund! Freunde darf man nicht so behandeln!“ Bei den vielen Stimmen um mich herum kann ich gar nicht klar denken. Jetzt starren mich wieder alle an, als wäre irgendwas an mir komisch. Aber inzwischen weiß ich, dass es nicht daran liegt, dass ich einen Fleck auf dem Kleid habe.
Es liegt an mir.
Weil ich die mit dem toten Bruder bin. Weil ich eine Mutter mit der Traurigkeitkrankheit habe. Weil ich selbst gemalte Bilder zum Geburtstag verschenke. Weil ich mit einer Playmobil-Figur rede.
Da ziehe ich Pippa aus meiner Brusttasche und schleudere sie so weit auf den Teich hinaus, wie ich kann. Sie klatscht aufs Wasser auf und geht unter.
„Super!“, ruft Maik. „Und jetzt befiehl ihm, das Playmo-Teil wieder aus dem See zu holen!“
Aber ich kann gar nichts mehr sagen. In dem Moment, als Pippas kleiner Körper auf dem Wasser aufschlägt, fühle ich, wie eisige Kälte sich in mir ausbreitet. Alles in mir wird taub vor Schreck. Was habe ich getan?! Ich habe meine beste Freundin, meine allerliebste Pippa, in den See geschmissen!
Während ich nach Luft ringe, als müsste ich selbst ertrinken, läuft Will los. Er läuft langsam auf das schilfige Ufer des Sees zu. Und dann – ohne seine Kleider auszuziehen, ohne stehen zu bleiben – läuft er einfach weiter, in den See hinein. Das Wasser geht ihm bis zu den Knien, bis zu den Schultern, bis zur Nasenspitze … Und dann ist er einfach abgetaucht, ohne eine Luftblase zu hinterlassen.
Die anderen stehen mit offenen Mündern da. Maik hat sein Handy gezückt und filmt, was passiert. Die Einzige, die kaum überrascht wirkt, als ein mit Schlamm und Algen bedeckter Will wieder aus dem See herauswatet, ist Jessie.
„Das war mal eine interessante Party“, stellt sie zufrieden fest, während die ersten ihrer Geburtstagsgäste schreiend davonrennen.
„Ich hab doch gesagt, die beiden sind Freaks!“, brüllt Maik ihnen hinterher. Dann macht er sich ebenfalls davon, bevor Will das Ufer wieder erreicht.
Ich renne Will entgegen, so weit ich mich traue, bis meine Turnschuhe im Matsch einsinken und meine Strumpfhosen anfangen, sich mit Seewasser vollzusaugen. Will sieht aus wie ein Schlammmonster. Langsam öffnet er seine dreckbeschmierte Faust. Seine Handfläche ist sauber und darin liegt wie in einer sich öffnenden Knospe …
„Pippa!“, wispere ich. „Du hast sie zurückgebracht!“
„Du solltest besser auf sie aufpassen“, antwortet Will nur und bettet Pippa behutsam in meine Hände.
Sie setzt sich in meiner Handfläche auf und spuckt einen Fingerhut voll Wasser aus. „Ich weiß jetzt, wie Seerosenblätter von unten aussehen“, piepst sie.
„Und?“, frage ich, während mir Tränen über die Wangen laufen. „Wie sehen sie aus?“
„Nicht so schön“, antwortet Pippa.
Dann ist da ein sehr langes Schweigen zwischen uns.
„Pippa, das wollte ich nicht“, flüstere ich. „Kannst du mir verzeihen?“
Als Antwort krabbelt Pippa meinen Arm entlang, steigt an meiner Schulter hoch und verschwindet in der Brusttasche meines Jeanskleides.
Ich gucke Will in die Augen und er guckt zurück. Und dann kommt Jessie über die Wiese auf uns zu. „Ich glaube, Maik hat Recht“, ruft sie schon von Weitem. „Ihr beiden seid wirklich Freaks.“
Sie hakt sich bei Will und mir ein und lächelt uns an. „Aber genau deshalb mag ich euch so gerne.“
Dann gehen wir zu Jessie nach Hause. Will bekommt trockene Klamotten von Jessies großer Schwester, in denen er ziemlich albern aussieht. Ich bekomme eine trockene Leggins von Jessie.
Anschließend packt sie unser Geschenk aus.
„Wow, Melina, hast du das gemacht?“, fragt sie und betrachtet die Zeichnung lange. Zwischen zerknülltem Geschenkpapier drückt sie mich so fest, dass mir fast schwindelig wird.
Dann flitzt sie los, um einen Hammer zu holen, damit sie das Bild über ihr Bett hängen kann.
Das Bild von Jessie, Will und mir.
Was ist zu Hause?
„Hallo!“, begrüßt Mama uns.
Heute ist es so weit: Meine heimliche Statue kommt zu Besuch bei meiner Familie.
„Schön, dich endlich mal kennenzulernen, Will“, sagt Mama. „Deinen Mantel kannst du da drüben aufhängen.“
Will weicht zurück und wirft mir einen panischen Blick zu.
„Ich
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