Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Sumpf des Selbstmitleides versinken. Höchste Zeit für einen Tapetenwechsel. Heute würden wir den Tag nicht im Haus verbringen, beschloss ich mit dem Rest der Energie, die ich noch hatte.
„ Mutter, Miri? Kommt, zieht euch eure Schuhe an, wir fahren weg.“
„ Wohin denn?“
„ Mir egal, ich will heute was mit euch unternehmen. Wir könnten ins Café Rosenbusch fahren, oder auf der Königstraße in Stuttgart flanieren. Oder wir machen einen Spaziergang im Rosensteinpark.“
Ich war so froh, dass meine Beiden damit einverstanden waren. Wir brauchten wirklich mal etwas nette Ablenkung. Ich half Mutter beim Einsteigen in den Wagen und schickte Miri noch mal zurück, den Hintereingang abschließen. Als sie mir dann den Schlüssel in die Hand drückte, verfärbte sich ihr Gesicht weiß. Sie starrte zum gegenüberliegenden Haus.
„ Was ist los, Kind, wovor fürchtest du dich auf einmal?“ Ich folgte ihrem Blick, sah aber nur noch einen Schatten, der um die Ecke verschwand.
„ Das war er, Mama. Der Junkie, der den Hahn töten wollte“, flüsterte sie.
„ Sofort ins Auto, Miri.“
Meine Hände zitterten leicht, als ich den Motor anließ. Was hatte der Kerl hier zu suchen? Verdammte Scheiße. Ich hasste ihn abgrundtief.
Dieser Tag, der allein unter dem Zeichen eines schönen Ausfluges hätte stehen sollen, wurde zu einem Meilenstein, einem Stolperstein. Dieser verfluchte Mistkerl tauchte von nun an in unregelmäßigen kurzen Abständen immer wieder in der Nähe unseres Hauses auf. Starrte hämisch grinsend zu uns rüber – und verschwand. Nie ließ er sich blicken, wenn mein Mann zuhause war. Als hätte er einen Riecher dafür. Miri traute sich nicht mehr aus dem Haus raus. Sie stand oft neben dem Fenster ihres Zimmers und hielt aus der Deckung heraus vorsichtig nach ihm Ausschau. Sie meinte, Beata müsse ihm verraten haben, wo sie wohnt. Die Angst bestimmte von nun an ihre Tage. Und meine auch. Die Polizei, die wir mit einbezogen hatten, fuhr öfter mal bei uns ums Haus durch die Straßen, aber nie gelang es ihr, ihn zu sichten. Solange er keine Straftat ausübte, konnten sie für Miri nichts weiter tun. Die Gefährderansprache, die sie vorschlugen, konnte so nicht stattfinden. Es lag also an uns selbst, dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Doch wie? Diese unterschwellige Bedrohung und die schwache Auftragslage der Firma machte Robert sehr zu schaffen. Sein Blutdruck spielte oft verrückt. Werte wie 190/110 waren an der Tagesordnung, obwohl er regelmäßig sein Medikament einnahm.
„ Es ist dieses zur Untätigkeit verdammt sein, das mich so fertig macht. Wenn ich den Kerl doch nur zwischen die Finger kriegen würde!“
„ Selbst wenn, was könntest du schon machen“, fragte ich Robert mutlos.
„ Oh, ich wüsste da schon was, verlass dich nur darauf. Niemand bedroht meine Familie und kommt ungestraft davon.“
„ Vielleicht sollten wir uns einen Wachhund anschaffen?“
„ Ich bitte dich, Melissa, wie soll der denn unterscheiden, wen er anknurren darf und wen nicht? Soll er auch gleich die wenigen Laufkunden vertreiben, die wir noch haben?“
„ Sei nicht unfair.“
Robert nahm meine Hand und drückte sie. „Du hast Recht, entschuldige bitte. Das Beste wird sein, ich installiere mehr Bewegungsmelder auf dem Grundstück und an den Türen eine Alarmanlage. Ich gehe jetzt noch mal raus und belade den Transporter mit allem, was ich morgen brauche. Matthias und ich fahren rüber nach Esslingen zur Gartenpflege. Der Professor ist einer unserer zuverlässigsten Kunden, zahlt immer gleich nach Erhalt der Rechnung. Und es wird bei ihm nach Quadratmetern abgerechnet, der Garten um seine Villa ist riesig. Möge der Mann noch lange leben und solvent bleiben“, grinste Robert.
Mein Mann verschwand nach draußen in die Abenddämmerung, und ich verschwand in die Badewanne. Mit Bedacht wählte ich das Badesalz aus. Das Tütchen „Lavendel, Meersalz, Amethyst“ schien mir die richtige Wahl zu sein. Ich schnupperte mit Vorfreude an dem Behältnis. Durch die Wand hörte ich, wie Miranda und Mutter stritten. Vielleicht wäre es doch besser, Mutter am Wochenende wieder nach Sylt zurückzubringen. Ihre Anwesenheit wurde zunehmend zur Belastung für uns. Soll doch die Insel-Diakonie sich um sie kümmern, dachte ich grantig, nicht mal in meiner geliebten Badewanne habe ich meine Ruhe. Aber sobald ich in das warme Wasser eintauchte, entspannte sich mein Körper und meine Gedanken wurden freundlicher. Ich
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