Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Tränen der Trennung weinen musste. Bis sie eines Morgens den Entschluss fasste, nicht länger zu weinen, sondern zu handeln. Sie schwor sich selber, nie den Glauben an ihre Rettung zu verlieren. Eines Tages würde sie ihre Eltern wiedersehen.
„ Wenn ich schon in dieser finsteren Burg bei diesem traurigen Fürsten leben muss, so will ich das Beste daraus machen.“ So sprach sie und kämmte ihr goldenes Haar, bis es glänzte. Ihr Kleid war schlicht, der Umhang aus grober Wolle, denn sie trug heute das Gewand der Tochter ihrer Dienerin. Ihr Prinzessinnenkleid war in den Händen der Waschfrau. Mit kindlicher Entschlusskraft ging sie in die Halle des Fürsten und befahl mit piepsiger Stimme der Dienerschaft, die schwarzen Vorhänge zu entfernen und die Fenster zu putzen! Der Fürst staunte über ihren Elan und gab nickend seine Zustimmung. Die Kleine weckte allmählich seine Aufmerksamkeit. Er hatte nie wirklich verstanden, weshalb der Magier und der Hauptmann das Königskind in seine Burg gebracht hatten. Das Glück solle mit ihr einziehen, hatten sie behauptet. Alle Probleme des Landes würden sich allein durch ihre Anwesenheit in Luft auflösen. Aber dem war nicht so. Das Volk darbte und murrte nach wie vor.
Dann baute sie sich vor dem Fürsten auf, stemmte ihre Ärmchen in die Hüften und sagte laut: „Ich will nicht einen Tag länger in diesen finsteren Hallen verbringen. Es ist, als würden hier Tod und Verderben sich die Hände schütteln. Zuhause war Licht und Freude und ich hatte ein Pony und viele schöne Kleider! Ich will zurück zu meinen Eltern! Lasst mich bitte gehen.“
„ Ich kann dich nicht zurückgehen lassen, du sollst das Glück in mein Land bringen. Sag, ist es dein herrliches Haar, das das Glück anzieht? So schneide es ab, und du kannst ziehen. Oder sind es deine strahlenden Augen? Dein Lachen? Sag, auf welche Weise hast du deinem Volk und Land solchen Segen gebracht?“
Die Prinzessin verstand seine Fragen nicht. „Ich will nach draußen und dort spielen, bitte erlaubt mir, an die frische Luft zu gehen.“
„ Nun, vielleicht ist es auch dein fröhliches Spielen, welches das Glück anzieht. Wer weiß? Hauptmann! Er komme zu mir!“
Die Diener raunten von einem zum andern, der Hauptmann solle zum Fürsten kommen. Als dieser das hörte, eilte er herbei, erfreut über den Befehl. Alles war besser als das Schweigen seines Gebieters. So stürmte er in die Halle des Thrones und blinzelte. So viel Licht war seit acht Jahren nicht in diesen Räumen gewesen. Die Vorhänge waren weg! Wenn das kein Funken Glück war?
„ Mein Herr, wie lautet Euer Befehl für mich?“
„ Die kleine Dame will spielen. Draußen an der frischen Luft. Geht mit ihr und bewacht sie mit eurem Leben. Am Abend soll sie wieder ins Schloss gebracht werden.“
Und so kam es, dass Aurelia, denn das war der Name der Prinzessin, am Ende des Tages das Tor zum Garten entdeckte. „Öffnet dieses Tor für mich, Hauptmann“, verlangte das Kind. „Ich will sehen, was dahinter ist.“
Der Hauptmann, der wegen der Entführung ein schlechtes Gewissen hatte, mochte ihr die Bitte nicht abschlagen, wenngleich er damit das Gebot des Fürsten übertrat. Seit acht Jahren hatte niemand mehr den ummauerten Garten der Fürstin betreten. Doch so sehr er es auch versuchte, das Tor ließ sich nicht öffnen. Aber dann sah er ein Kätzchen, welches einer Maus nachjagte und beide verschwanden ein paar Schritte weiter unter der Mauer. Dort hatte der Frost von vielen Wintern das Mauerwerk beschädigt. Mit seinem Soldatenstiefel trat er fest dagegen und vergrößerte das Loch. Jauchzend schlüpfte Aurelia hindurch und verschwand im hohen Gras. „So wartet doch auf mich, kleine Prinzessin. Ich muss Euch vor allem beschützen!“ Doch so sehr er sich auch bemühte, der Rest der Mauer hielt stand. Der Mann war einfach zu groß und konnte ihr nicht in den Garten folgen. So blieb ihm nichts als zu warten und zu hoffen.
Aurelia fühlte sich in eine andere Welt versetzt. Hier war es so schön! Und so herrlich verwildert! Büsche mit roten und blauen Beeren, mit Blüten in vielen Farben, und Blumen, ach so viele Blumen! Richtige Meere in allen Farben des Regenbogens. Und erst die Bäume! Ach, und dort war gar ein Springbrunnen, doch sprudelte er nicht. Vergnügt lauschte sie dem Zirpen der Grillen und dem Zwitschern der vielen Vögel. Stunde um Stunde spielte sie. Am Brunnen war eine Sitzbank aus Stein. Smaragdgrünes Moos polsterte weich die
Weitere Kostenlose Bücher