Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
unterwegs. Seit fünf Tagen waren sie nun weg. Und ich wusste nicht, wo sie waren oder wann sie wiederkommen würden. Denn mein Mann hatte sein Handy vergessen! Wie konnte er nur! Ich regte mich jeden einzelnen Tag der vergangenen Woche darüber auf, dass ich ihn nicht erreichen konnte. Meine Kopfschmerzen sprachen Bände davon. Wenn ich es mir genau überlegte, hatte ich diesen Druck im Kopf insbesondere seit der gestrigen Erkenntnis, dass die Volkshochschüler am Nachmittag anrücken würden und ich nichts vorbereitet hatte. Unter Aufbietung aller Kräfte hatte ich den langen Nachmittag überstanden. Ich hatte meinen Lerngästen unter anderem gezeigt, wie man aus Weide ausgefallene Flechtzäune herstellt, wir hatten Kränze mit Vogelbeeren und Hopfen gewunden und zum Abschluss stellten wir noch Seife mit Rosenblüten und Lavendel her. Das war eine reife Leistung von mir gewesen. Als alle endlich gegangen waren, musste ich mich vor lauter Stress übergeben und ging leise jammernd ins Bett.
Der Bus hielt nach exakt 23 Minuten Fahrzeit in Strümpfelbach, und ich ging den Rest des Wegs nach Hause. Mein Nacken schmerzte, denn ich war sehr verspannt wegen Mutters griesgrämigen Verhaltens. Und auch aus Wut über meinen Mann. Es gab mit Sicherheit noch mehr Telefone auf dieser Welt, er hätte sich wirklich längst bei mir melden müssen. Wozu diese Geheimniskrämerei? Als ich mein Gartentor öffnete, umhüllte mich eine Duftwolke, die von den am Tor rankenden Rosen ausströmte. Doch auch dieser herrliche Duft stimmte mich nicht milder. Ich öffnete den Briefkasten und nahm die Post mit ins Haus. Die Gärtnerfachzeitschrift, eine Rechnung von der Autowerkstatt, diverse Werbung, die ich gleich ins Altpapier warf und eine Postkarte mit Lamas drauf. Unterschrieben von Miri! „Mama, wir kommen am Freitag spätestens am Abend nach Hause. Du wirst Augen machen!!!“
Drei fette Ausrufezeichen. Meine Anspannung ließ etwas nach. Endlich hatten sie sich gemeldet. Heute war ja Freitag, fiel mir ein! Bis zum Abend war noch Zeit. Ich legte mich ins Bett für ein Nickerchen, denn Mutters Umzug ins Heim hatte mich einiges an Nervenkraft gekostet. Als nächste größere Aktion stand ja die Auflösung ihrer Sylter Wohnung an, aber das konnte ich noch etwas hinausschieben, hatte Onkel Walther mir versichert. Er hatte sich noch nicht nach neuen Mietern umgesehen.
Meine Erschöpfung war wohl größer gewesen, als mir bewusst gewesen war, denn ich schlief tief und fest bis in die Abendstunden hinein. Ein ungewohntes Fahrgeräusch in der Nähe weckte mich. Das war nicht unser Lieferwagen. Ich sah aus dem Fenster. Unser Wagen stand an Ort und Stelle. Offenbar hatte unser Geselle ihn von mir unbemerkt abgestellt und Feierabend gemacht, ohne sich zu verabschieden. Vermutlich hatte ich den Mann einfach nicht gehört. Das Brummen wurde noch lauter, aber von hier konnte ich nichts sehen, es kam mehr von der Rückseite des Hauses. Rasch zog ich mir was Frisches an, bürstete mir die Haare und ging zur Hintertür raus. Ich konnte nicht glauben, was ich zu sehen bekam: Ein großer Tiertransporter parkte neben unserer großen Streuobstwiese in der Seitenstraße zum Feld hin. Hinter ihm stand Roberts Pkw. Robert öffnete das Gatter, und Miri tänzelte aufgeregt herum. Der Fremde stieg aus dem Transporter aus und öffnete die Ladeluke. Was hatte das zu bedeuten? Rasch durchquerte ich unseren Kräutergarten und betrat die Wiese durch das Tor von der anderen Seite her. Robert sah mich als Erster und winkte mir fröhlich zu. Er sagte ein paar Worte zu Miri, aber sie war zu abgelenkt, um auf ihren Vater zu achten. Die Luke war nun zur Gänze geöffnet, und der fremde Mann führte zwei Lamas am Halfter vom Transporter auf unser Grundstück. Miri folgte seinem Beispiel. Als ich die Wiese fast überquert hatte, traute ich mich nicht recht weiter voran, denn inzwischen befanden sich fünf Viecher zwischen mir und meiner Familie.
„ Mama, geh ruhig weiter“, rief Miri. „Die sind ganz harmlos!“
Ich rührte mich nicht vom Fleck. Harmlos war ein dehnbarer Begriff. Robert winkte mir ein zweites Mal zu und fuhr den Pkw zurück über die Hauptstraße zum Haus. Meine Tochter schloss das Gatter und kam in Begleitung des Fremden auf mich zu.
„ Mama, sieh nur, was wir für wunderbare Tiere mitgebracht haben!“ Sie strahlte mich an und umarmte mich kurz. „Darf ich dir vorstellen? Das ist Sebastian, Papas Freund. Von ihm haben wir die Herde.“
Der
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